Warten muss sich lohnen

Warum sich Warten lohnen muss

„Warten ist doch ganz einfach, der Hund muss gar nichts tun!“

Das ist vermutlich einer der häufigsten Irrtümer von Hundehaltern. Hier erfährst Du, warum sich Warten lohnen muss für Deinen Hund.

Ein Video

Gerade sah ich ein Video in Facebook. Eine Hundehalterin macht mit einem ihrer Hunde ein Hütchenspiel, der andere soll auf einer Decke warten.

Der wartende Hund sitzt auf der Decke und steht immer wieder auf, um auch mitzuspielen. Dann wird er von der Besitzerin an der Brust zurückgehalten und etwas nach hinten geschubst.

Das ist ein typisches Beispiel, wie sich Fehler einschleichen im Training.

Schubsen als Strafe

Das Schubsen soll ja das unerwünschte nach vorne Gehen unterbinden. Der Hund soll lernen, dass es nicht erfolgreich ist, die Decke zu verlassen. Es soll als Strafe wirken. Laut Definition sollte Strafe sofort dazu führen, dass das Verhalten nicht mehr gezeigt wird. (Leider ist eine „richtig wirkende“ Strafe fast immer absolut Tierschutzrelevant)

Das Schubsen wirkt nicht als echte Strafe. Das erkennt man daran, dass der Hund es unbeirrt weiter versucht. Das Schubsen ist sanft, was einerseits gut ist, denn es ist in dem Sinne nicht Tierschutzrelevant. Aber andererseits doch, denn dem Hund geht es nicht gut, und etwas Besseres wäre möglich.

Woran erkenne ich, dass es dem Hund „nicht gut“ geht? Ich versetze mich in seine Situation. Er ist sehr interessiert am Hütchenspiel, schließlich darf sein Kumpel spielen und Futter finden, und er nicht. Er kann sich nicht auf das Sitzen konzentrieren, und macht ständig „Fehler“ – er steht immer wieder auf. Ganz offensichtlich ist er überfordert in dieser Situation.

Immer wieder wird er zurückgeschubst – das ist auf Dauer frustrierend. Frustration kennen wir alle – fühlt sich nicht gut an, oder?

Frustration ohne Lösung ist ziemlich stressend. Auch das kann sich jeder vorstellen. Aber hat dieser Hund wirklich keine Lösung? Er weiß doch sicher, dass er auf der Decke bleiben soll??

Auf der Decke bleiben

Lohnt es sich für ihn, auf der Decke zu bleiben? Nein.

Dort fühlt er Frustration und wird immer geschubst – denn ich glaube, so genau wie wir bemerkt der Hund nicht, dass er genau dann geschubst wird, wenn er die Decke verlassen will…

Er merkt nur, dass er nicht zu seinem Ziel kommt, am Spiel teilzunehmen. Er möchte dabei sein. Logisch. Er kommt nicht ans Ziel – und fühlt Frustration.
Hat er gelernt, ruhig und voller Vertrauen zu warten? Nein.

Was müsste er lernen? Auf einer Decke zu bleiben und sich wohl zu fühlen – und das Vertrauen, dass dieses Spiel  seines Kumpels ein VORBOTE  ist dafür, dass gleich er dran kommt.

Warum sich Warten lohnen muss

Zeigst Du gerne ein Verhalten, das für Dich frustrierend ist? Also ich nicht. Ich liebe Dinge, die sich gut anfühlen, wo ich Erfolge habe. Und so geht es unseren Hunden auch.

Wenn sich das Warten auf der Decke lohnt, wird der Hund gerne abwarten, bis sein Kumpel fertig ist und er dran kommt.

Hunde tun alles gerne, was sich gut anfühlt und sich lohnt für sie. Wenn das Warten regelmäßig belohnt wird, fühlt es sich gleich besser an. Die Frustration verschwindet, und der Hund hat nach und nach Vertrauen, dass er es schaffen kann, auf einem Platz zu warten.

Um das zu erreichen, solltest Du ganz von vorne mit dem Training beginnen.

Warten können will gelernt sein

Beginne das Training außerhalb der Situation, in der Dein Hund warten können soll. Wenn es also um Training mit zwei Hunden geht, und immer einer warten soll, übe mit einem Hund alleine, dass er auf einer Decke liegt, entspannt ist und dafür belohnt wird.

Erst wenn das alleine gut klappt, übst Du das auch in der Situation, für die Du trainierst.

Anfangs übst Du auf jeden Fall mit einer hohen Belohnungsrate, später gegebenenfalls mit weniger Belohnungen. Warum nur gegebenenfalls?

Ich persönlich mag es, auch dauerhaft relativ eng zu belohnen. Der eine Hund tut etwas für Futter und bekommt gerade eins, dann bekommt auch der wartende Hund eins. So wird keine Frustration aufkommen, was leicht passieren kann, wenn Du ohne gut hinzuschauen einfach nach Plan die Belohnungen verringerst. Wenn dem wartenden Hund das Futter gar nicht wichtig ist, kannst Du natürlich Futter ersetzen durch Lob, Zuwendung, angenehmen Körperkontakt, Kausachen…

Bei diesem Hütchenspiel würde ich alle paar Sekunden dem wartenden Hund etwas geben, denn da ist viel Bewegung drin, weil der aktive Hund die Hütchen herumschiebt. Zu warten, bis er ein Leckerchen unter dem Becher findet, könnte eine zu lange Zeitspanne sein.

Es kann natürlich auch passieren, dass der spielende Hund dann das Spiel sein lässt, und auch „einfach so“ Leckerchen haben möchte – dann brauchen wir mehr Übung sowohl für das Spiel (vielleicht einfach mehr Futter unter den Bechern verteilen, so dass es sich mehr lohnt) als auch mehr Übung für den Wartenden.

Es gilt immer, der Situation angepasst zu reagieren. Ein Blogbeitrag kann immer nur Ideen geben, und ist kein für alle passender Trainingsplan.

Warten in jeder Situation

Warten erfordert jede Menge Impulskontrolle. Daran müssen wir denken und es honorieren. Impulskontrolle ist das Kontrollieren von aktivierenden Gefühlen, die einem sagen „Sei aktiv! Tu was!“ oder „Wehr Dich“.
Das ist anstrengend – wir alle wissen das. Und wir Menschen sind für dieses Fach viel besser ausgerüstet als Hunde. Uns fällt es leichter, Impulskontrolle zeigen zu können. Und wie oft können wir es doch nicht…

Habe also Verständnis für das Verhalten Deines Hundes. Ein „DAS  MUSS DER LERNEN!“ führt eben nicht zum Erfolg. Sondern Verständnis für den Hund und Training mit Bewusstheit, Herz und Verstand.

Impulskontrolle lernt der Hund sehr situationsbezogen. Das heißt, dass Du jede Situation, in der Dein Hund warten können soll, einzeln gut aufbauen und üben darfst.

Schreibe Dir doch gleich alle Situationen auf, in denen Du Dir wünschst, dass Dein Hund ruhig abwarten kann. Wie viele sind es? Sind sie wirklich alle wichtig?
Übe mit deinem Hund in jeder nötigen Situation, ausreichend Impulskontrolle zeigen zu können. Indem es sich für ihn lohnt, ruhig abzuwarten.

Dann sparst Du Dir jede Menge Schubserei und Ärger. Und hast Freude an und mit Deinem entspannt wartenden Hund. Lohnt sich, oder?

_________

So versteht dich dein Hund: das positive Markersignal

Über die Autorin Bettina Haas

Bettina Haas, Hundetrainerin aus Leidenschaft, zeigt dir, wie du zum besten Freund und Trainer für deinen Hund wirst. Damit du schnell und nachhaltig zum Erfolg kommst und dein Leben mit Hund (wieder) richtig genießen kannst!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere Beiträge von Bettinas Hundeblog

Ein Dackel der mit hängender Zunge und wehenden Ohren auf den Betrachter zuläuft

Was tun, wenn der Hund nicht auf den Rückruf hört?

Was tun, wenn dein Hund nicht auf den Rückruf hört? Als erfahrene Hundetrainerin weiß ich, dass effektives Hundetraining essenziell für eine gute Beziehung zwischen dir und deinem Hund ist. In

Weiterlesen ➔

Silvester-Angst bei Hunden

Silvester-Angst bei Hunden: Tipps für einen entspannten Jahreswechsel

Silvester-Angst bei Hunden: So sorgst du für einen entspannten Jahreswechsel Das Jahresende rückt näher, und während wir uns auf die festliche Zeit freuen, kann es für unsere pelzigen Freunde ziemlich

Weiterlesen ➔

Der Newsletter mit Wau!-Effekt

Halte dich auf dem Laufenden zu neuen Angeboten, Hundekursen und wertvollen Tipps rund um gewaltfreie Hundeerziehung.

*“ zeigt erforderliche Felder an

Name*
Dieses Feld dient zur Validierung und sollte nicht verändert werden.

Deine Privatsphäre ist mir wichtig! Alle persönlichen Informationen, die du in diesem Formular angibst, werden streng vertraulich behandelt und ausschließlich dazu genutzt, dir relevante Inhalte zuzusenden. Ich respektiere deine Daten und garantiere deren Schutz gemäß meinen Datenschutzbestimmungen.

Hol dir jetzt mein eBook für 0€

Besser trainieren:

7 Expertentipps für einen erfolgreichen Rückruf