So wird dein Hund entspannt und aufmerksam

Häufiges Problem

„Mein Hund ist immer so aufgeregt, und ich schaffe es dann nicht, seine Aufmerksamkeit zu bekommen!“

Das ist vielleicht der häufigste Satz meiner Kunden. Fast jeder hat das Problem, dass sein Hund ziemlich schnell aufgeregt ist in einer neuen oder sehr anregenden Umgebung, und dass er bei solchen Ablenkungen die Aufmerksamkeit seines Hundes  nicht mehr bekommt.

Wieso ist das so? Nun, es sind die spannenden Dinge in der Umwelt, die uns das Leben schwer machen. Hunde reagieren auf eine Vielzahl von Reizen. Das heißt, sie drehen ihren Kopf in die Richtung des Reizes, schauen hin, lauschen nach dem Geräusch, rennen hinterher. Besonders Bewegungsreize haben es ihnen angetan.

Etwas, das schnell auf einen zu kommt, kann Angst machen. Zumindest sollte man auf der Hut sein, und es beobachten. Man muss darauf gefasst sein, ob was passiert.

Ebenso plötzliche Bewegungen. Es kommt sehr darauf an, wohin die Bewegung gerichtet ist. Auf mich zu ist sie eher bedrohlich, von mir weg animiert sie zumindest Beutegreifer dazu, hinterher zu rennen. Wenn das, was sich von mir weg bewegt, auch noch Geräusche von sich gibt, ist es besonders toll.

Warum der unaufmerksame Hund doch aufmerksam ist

Gerade startete eine Ente aus dem kleinen Fluss, wo ich mit meiner Kundin ging. Ihr junger Hund schaute gebannt, wie sie sich schnatternd aus dem Wasser erhob, ein Stück flog, um dann wieder auf dem Fluss zu landen. Das sind Momente, wo der Mensch einfach nicht die erste Geige spielt. Das ist spannendes Hundekino, und erfordert die volle Aufmerksamkeit. Kaum landet die Ente wieder und es kehrt Ruhe ein, kann sich der Hund umwenden und sein Frauchen anschauen.

Ich habe gerade geschrieben „erfordert die volle Aufmerksamkeit“ (des Hundes). Merkst du was? Dieser Hund ist gerade vollkommen aufmerksam. Die Aufmerksamkeit ist auf die Ente gerichtet.

Der Mensch daneben würde sicher sagen, der Hund ist momentan nicht aufmerksam. Weil wir unter Aufmerksamkeit verstehen, dass die Aufmerksamkeit auf uns gerichtet ist.

Es geht also nicht darum, dass der Hund keine Aufmerksamkeit hätte, oder sie nie auf etwas richtet. Sondern es geht um das Ego des Menschen: Der Mensch fühlt sich nicht wahrgenommen, wenn der Hund etwas anderes toll findet.

Wir halten uns für wichtig

Irgendwie halten wir uns für den Nabel der Welt. Unser Hund möge uns bitte nicht aus den Augen verlieren und nur uns anschauen. Zu jeder x-beliebigen Zeit wollen wir auf ein einziges Wort sofort seinen Blickkontakt erreichen können.

Und selber? Oh, wenn ich morgens Zeitung lese, und mein Mann liest mir unvermittelt etwas aus seiner Zeitung vor, muss ich öfter nachfragen. Ich hatte noch nicht hingehört. Schließlich las ich selbst in dem Moment. So schnell konnte ich meine Aufmerksamkeit nicht von meinem Text weg und zu ihm hin lenken.

Oder reagierst du auf jeden Ruf deiner Familie mit einem prompten „Ja hier, stets zu Diensten!“? Ich sage meistens: „Ja, gleich.“ Oder: „Warte, ich komme gleich.“

Hunde dürfen so etwas nicht, oder? Oder dürfen wir zulassen, dass unser Hund auch mal „Ja gleich“ sagt?

Kann ich von meinem Hund jederzeit Aufmerksamkeit für mich erwarten?

Jetzt wird es spannend. Kann ich erwarten, dass mein Hund jederzeit ansprechbar ist, egal was gerade an Ablenkungen um ihn herum passiert?

Ja. Wenn ich das ordentlich, fair und freundlich trainiert habe.

Aber ich muss es nicht erwarten und schon gar nicht durchsetzen.

Durch die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit der Umwelt können sich Hunde bereits an viele Reize gewöhnen, so dass eine stinknormale Amsel ihn nicht mehr so aktiviert. Natürlich hilft gutes Training sehr dabei.

Und die besonders starken Ablenkungen können ebenso trainiert werden, so dass dein Hund zum Beispiel beim Anblick eines davon springenden Rehs nicht mehr kreischend in der Leine hängt, sondern ruhig hinschaut, um sich am Ende zu dir umzuwenden.

Training

Wie trainierst du an Ablenkungen?

Ich bevorzuge, den Blick zur Ablenkung zu markieren und zu belohnen. Das sieht zunächst aus wie ein Umweg, denn am Ende stellen sich die meisten Hundehalter ja vor, dass ihr Hund sich zügig zu ihnen orientiert, wenn er eine Ablenkung sieht. Aber gerade wenn das das Ziel ist, ist eine gute Vorbereitung äußerst wichtig.

Durch den Blick zur Ablenkung wird die Auseinandersetzung mit dem Umweltreiz aktiviert. Das Hinschauen hilft dem Hund, zu erkennen, was es mit dem Reiz auf sich hat.

Die hohe Erregung und die Stärke der Ablenkung zeigt ja, dass der Reiz für den Hund unglaublich relevant ist. Dem Hund einfach zu sagen: „Da ist nichts, du brauchst nicht zu bellen / dich nicht aufzuregen / keine Angst zu haben“ bringt nichts.

Das ist wie: „Du brauchst keine Angst zu haben vor dem Zahnarzt.“ Habe ich aber.

Hier kannst du lesen, wie du erfolgreich an Ablenkungen trainierst. (klick)

Die Aufregung ist Schuld

Im Grunde sind es die Ablenkungen, die uns die Schwierigkeiten machen. Und natürlich die dadurch entstehende Aufregung. Denn eine hohe Erregung ist bei unerwünschtem Verhalten eigentlich immer dabei. Wer gerade sehr, sehr aufgeregt ist, kann nicht so klar denken. Das kennen wir doch auch. Bei großer Aufregung reagiert man emotional, man überlegt meistens nicht in Ruhe, was die eigene Handlung für Folgen haben könnte. Man muss sich abreagieren oder man reagiert impulsiv auf einen Reiz.

So geht es auch den Hunden. Wenn sie etwas erleben, was in ihrem Gehirn zu großer Aufregung führt, können sie nichts dafür. Sie reagieren so, wie es die Natur vorgesehen hat: Schnell, emotional, heftig.

Mit Ablenkungen trainieren

Darum ist das Training mit den Ablenkungen so wichtig. Mit und nicht gegen. Der Hund muss sich damit auseinander setzen können. Er muss zunächst erkennen und wiederholt erleben, dass es nicht bedrohlich ist, oder viel weniger Aufregung von Nöten ist, als sein Gehirn zunächst aktiviert. Außerdem muss er lernen, welches Verhalten du von ihm möchtest in der Situation. Daraus entstehen zwei Trainingsschritte, die wie immer in kleine Unterschritte unterteilt werden können.

Natürlich kann ein sehr tiefenentspannter Hund auch sofort lernen, seinen Menschen anzuschauen. Aber die Halter dieser Hunde haben auch nicht das Problem mit der Aufmerksamkeit. Wenn die Reize nicht als Besonderheit wahrgenommen werden, gibt es ja keine Aufregung und somit kein oder kaum unerwünschtes Verhalten.

Was führt zum Erfolg?

Wir wissen jetzt, dass es für die meisten Hunde wichtig ist, sich mit den Ablenkungen zunächst intensiv auseinander zu setzen. Wir haben deshalb zwei große Trainingsschritte vor uns, nämlich zum einen das Hinschauen mit Verstärkern zu verknüpfen, und zum anderen ein erwünschtes Verhalten aufzubauen.

Emotionen und Erwartung verändern

Durch den ersten Schritt veränderst du die Emotionen deines Hundes. Statt emotional und heftig auf den Auslöser zu reagieren, lernt der Hund, dass es bei dir Gutes gibt. Das verknüpft sein Gehirn mit der Situation und dem Auslöser. Weil es sich gut anfühlt, wird also bald ein gutes Gefühl ausgelöst beim Anblick des ablenkenden Reizes. Und gleichzeitig ist bereits die Orientierung zu dir „eingebaut“. Denn das Gute gibt es ja bei oder von dir.

Das Gute, das du hier anwendest, muss nicht zwangsläufig Futter sein. Du kannst alles einsetzen, was zur Situation, zur Motivation deines Hundes und zu dir passt.

Wenn es um einen Angst auslösenden Reiz geht, kannst du als größten Verstärker deinem Hund eine größere Distanz ermöglichen. Du gehst also einfach weg vom Reiz. Wenn du den Blick zum Reiz mit dem Markersignal markiert hast, drehst du dich mit deinem Hund um und gehst weg. Futter kommt dann zusätzlich zur Anwendung, wenn dein Hund es möchte.

Wenn eine größere Distanz nicht möglich ist, sind Futter, Spiel und andere Verstärker wieder wichtig.

Verhalten aufbauen

Im zweiten Schritt bauen wir ein Alternatives Verhalten auf. Welches das ist, hängt (wie eigentlich immer) von dir, deinem Hund und der Situation ab. Manchmal sind die Verstärker bereits versteckte Alternativverhalten.

Angenommen, dein Hund hat kleinere Probleme bei Menschenbegegnungen, weil er nie weiß, ob der die Menschen begrüßen soll, oder nicht. Da kann es sinnvoll sein, deinem Hund zu zeigen, dass er am Boden Futter suchen kann, wenn Menschen vorbei gehen.

Dabei geht es ihm gut, die Menschen sehen, dass der Hund beschäftigt ist, und am Wegrand schnuppert, und werden ihn vermutlich auch nicht ansprechen. Das hilft deinem Hund zusätzlich.

Wenn du diesen Vorgang viele Male wiederholt hast, wirst du merken, dass dein Hund bereits von alleine den Kopf senkt und am Boden schnuppert, wenn euch Menschen entgegen kommen.  Dann kannst du die Leckerchen nach und nach etwas abbauen, und nur sehr schwierige Situationen mit Futter gestalten. Hilf deinem Hund aber immer mit der Stimme. Nutze dein Entspannungssignal, das Markersignal, und lobe ihn für gutes Verhalten.

Entspannung trainieren

Wer ein Entspannungswort konditioniert hat, nutzt es in diesen Situationen. Denn wenn die Aufregung etwas zu hoch gestiegen ist, kannst du deinen Hund ein bisschen herunter holen mit dem Entspannungswort. Nun ist er wieder ansprechbar, wenn du ihm ein Signal gibst.

Da beinahe jeder Hund hier und da mal nicht ansprechbar ist, hilft das konditionierte Entspannungswort auch jedem Hund. Selbst wenn dein Hund viel schläft und ruht, und meistens gar nicht aufgeregt ist, kann es dir in Situationen mit großer Ablenkung helfen.

Hier erfährst du mehr über das Entspannungssignal: Immer gechillt? Über Entspannung für Hunde