Im Freilauf schnell zu weit weg?

So lernt dein Hund, näher bei dir zu bleiben

Findest du dich immer einsam und alleine wieder, wenn du deinen Hund ableinst? Rennt er los, und ist schnell so weit vorne, dass du kaum noch laut genug rufen könntest, um ihn zu erreichen? Oder zieht er große Kreise um dich, kommt aber nur selten in deine Nähe?

Wenn sich dein Hund sehr weit entfernt von dir, hat das wenig zu tun mit einer zu geringen Bindung oder irgendwelchen Dominanzproblemen.

Es hat etwas mit dem Laufbedürfnis deines Hundes zu tun, mit der interessanten Umwelt und vielleicht auch mit deiner Reaktion auf den großen Abstand. Oder genauer: Mit deiner Reaktion vorher, bevor der Abstand so groß wird.

Aber jetzt mal langsam. Schauen wir uns das Ganze mal in Ruhe an.

Wieso tut dein Hund das?

Gehört dein Hund zu den Laufhunden oder zu bestimmten Jagdhunden, zum Beispiel den Stöberhunden? Die Rasse kann durchaus eine Rolle spielen bei der Entstehung eines sehr großen Abstands von der Bezugsperson bei den Spaziergängen.

Ein Setter (nur so als Beispiel) hat einfach ein gewisses Laufbedürfnis, und wenn die Leine ab ist, kann er endlich dieses Bedürfnis befriedigen. Möglicherweise ist der Grund einfach hierin zu suchen.

Manche Hunde finden es extrem spannend, die Umwelt zu erkunden, und zwar schnell! Da wird keine Zeit verloren, und nicht groß rumgebummelt, sondern es wird gerannt, hin und her, ein Stück voraus, und wieder zurück, rechts und links des Weges geschaut, und wieder schnell weit nach vorne laufen. Diese Hunde haben es eilig, und können gerade nicht wirklich darauf achten, was ihr Mensch tut, und wo genau er sich befindet. Aber wenn es nötig ist, sind sie ja in Sekundenschnelle wieder da.

Als Bezugsperson sieht man das natürlich anders. Wenn sich der Hund so weit entfernt und dabei so sehr in die Hundewelt eintaucht, dass es kaum eine Verbindung zu geben scheint, fühlt man sich alleine und hat Kontrollverlust. „Wenn jetzt ein Hase läuft, geht er ab“ denkt man sich. Und vermutlich stimmt das auch.

Also brauchen wir eine Lösung.

  1. Wie wird der Hund ansprechbar, auch wenn er in seine Hundewelt eintaucht?
  2. Wie erreiche ich, dass mein Hund sich nicht so weit entfernt?

Was du auf keinen Fall tun solltest

Schnell hinterher rennen

Auch wenn du zu den Sprintern gehörst, wirst du deinen Hund kaum einholen können. Also lasse es einfach. Im schönsten Fall findet dein Hund, das sei ein nettes Spiel, und rennt lustig weiter. Oder er glaubt, dass du nun endlich verstanden hättest, und mit ihm gemeinsam stöbern gehst.

Auf keinen Fall wird er sich umdrehen und sofort zu dir eilen, wenn du ihm nachläufst, und sich brav anleinen lassen.

Schreien

Wenn du ihm hinterher schreist, dass er langsam rennen soll, oder stehen bleiben oder sowas, hört er entweder gar nicht hin, oder er glaubt, du feuerst ihn an. Nur extrem empfindsame Hunde reagieren wie erwünscht auf die verzweifelten Schreie ihres Menschen. Aber die ziehen sowieso nicht so große Kreise.

Bestrafen, wenn er wieder kommt

Ich hoffe, es hat sich wenigsten herumgesprochen, dass es keine gute Idee ist, seinen Hund zu bestrafen für Zurückkommen, auch nach ausgiebigen Jagdausflügen nicht.

Hunde verknüpfen auf keinen Fall ein Verhalten, das für sie so selbstverständlich ist wie jagen, rennen, stöbern mit der Strafe, die viel zu spät kommt und deshalb nur das Zurückkommen bestraft.

Zu weit weg rennen bestrafen

Auf die Ferne mit Strafe zu reagieren geht natürlich nur per Funk. Zum Glück sind Teletakt-geräte verboten, stehen also nicht zur Diskussion. Dass deren Benutzung Tierschutzrelevant ist, sollte jedem von selbst klar sein. Aber wie ist es mit diesen Zitronenduft verströmenden Geräten oder Piepstönen oder Wasserspritzern? Wenn man so dasteht und seinen Hund am Horizont verschwinden sieht, wünscht man sich ja schon manchmal so eine Fernbedienung….

Stelle dir einfach mal vor, du seist der Hund. Du hast Freude, darfst frei rennen. Dein Mensch ist ja hinter dir, du weißt wo er ist. Es riecht so interessant, dort fliegt ein Vogel auf, oh, und hier eine tolle Wildspur! Wo die wohl hinführt? Schnell mal schauen…du rennst los und schwupps kommt ein Schwalll Wasser in dein Gesicht. Oder es stinkt furchtbar nach Zitronenöl…

Wüsstest du, dass es darum geht, dass du dich nicht so weit von deinem Menschen entfernen sollst? Ich nicht, und die Hunde auch nicht.

Statt dessen sind Nebenwirkungen zu befürchten: Stress kommt auf, weil die Strafe vollkommen unvorhergesehen kommt, und daher nicht beeinflussbar ist. Natürlich kann man vor dem Auslösen des Gerätes eine Ankündigung machen. Das wäre zumindest das fachlich richtigere Training. Im Labor klappt so etwas sehr gut. Im echten Leben ist es dennoch schwierig. Der Hund kann alles mögliche verknüpfen, weil einfach viel mehr Umweltreize vorhanden sind als in einem Labor. Durch solche Verknüpfungen  und den unnötigen Stress können Verhaltensprobleme entstehen, die alle bisherigen Problemchen in den Schatten stellen.

Verzichte also einfach auf solche Experimente und suche deine Lösung bei den gewaltfreien Ansätzen. Die übrigens gut funktionieren.

Dich verstecken

Sich heimlich zu verstecken ist ein großer Vertrauensmissbrauch.  Manche Hunde bekommen nach einem solchen Erlebnis Probleme, sich überhaupt von ihrem Menschen zu lösen.  Andere Hunde interessiert es überhaupt nicht, und sie merken auch nach 20 Minuten noch nicht, dass ihr Mensch ausnahmsweise mal nicht hinter ihnen her kommt.

Wenn aber doch, ist der Schreck sehr groß.

Und wann bekommt der Hund diesen Schreck? Wenn er gutes Verhalten zeigt und sich nach seinem Menschen umschaut. Damit wird dieses Verhalten genau genommen bestraft. Keine gute Idee.

Was du tun solltest

Nutze ein Markersignal

Trainierst du mit einem Markersignal? Dann nutze es!

Wenn nicht, kannst du zuerst mit Lob arbeiten, aber ich empfehle dir, ein Markersignal aufzubauen. Das ist nicht kompliziert, aber ungemein hilfreich.

Hier findest du mehr über das Markersignal: Klick!

Lege den Fokus auf das gute Verhalten und verstärke es

Grundsätzlich ist ja der Ansatz im „gewaltfreien“ Training, dass wir den Fokus auf das gute Verhalten legen. Das gute, also erwünschte Verhalten wird verstärkt. Verstärken bedeutet, dass wir etwas tun, damit der Hund das Verhalten öfter, länger und stärker zeigt.

Wir müssen es lohnenswert machen, was wir möchten. Es muss sich richtig lohnen für den Hund, genau so, wie sich bisher für ihn das von dir unerwünschte Verhalten gelohnt hat.

Nutze echte Verstärker

Das bedeutet also, dass du Belohnungen benötigst für dein Training, die dein Hund auch toll findet. Wenn du in seinen Augen siehst: „Boah, ist das geil“ oder „das gibt es doch gar nicht, wie toll ist das denn?“ dann liegst du richtig.

Das kann Futter sein, ein oder mehrere Spielzeuge, ein bestimmtes Spiel (Futtersuche, Dummysuche, Verlorensuche auf der Rückspur) oder etwas aus der Umwelt, wie schwimmen oder buddeln dürfen.

Hier kannst du mehr lesen über Belohnungen

Mache es spannend

Die Umwelt ist nicht eintönig, sondern abwechslungsreich und dadurch spannend für den Hund. Das gleiche kannst du auch tun. Du kannst abwechslungsreich belohnen, und es dadurch spannend machen.

Diese Grundlagen gelten eigentlich immer. Manchmal mehr, manchmal weniger. Es hängt auch von den Vorlieben des Hundes ab, vom Typ und durchaus auch von deinen Befindlichkeiten.

Wie du trainieren kannst

Bei deinem nächsten Spaziergang schaust du mal, ob dein Hund manchmal eines dieser Verhalten zeigt:

  • Langsamer werden
  • Stehen bleiben
  • In deine Nähe kommen
  • Blickkontakt

Vielleicht hast du den Satz schon gehört:

„Jeder Hund zeigt immer gutes Verhalten, bevor er unerwünschtes Verhalten zeigt.“

Dr. Ute Blaschke-Berthold

Es klingt etwas provokativ, aber wenn du genau hinschaust, wirst du feststellen, dass auch dein Hund, bevor er sich zu weit von dir entfernt:

  • nah bei dir ist
  • langsamer wird
  • mal stehen bleibt
  • dich vielleicht sogar anschaut, bevor er losrennt, als wolle er dich mitnehmen.

Hey, das sind doch tolle Zeichen! Die solltest du immer honorieren! Das sind die Schlüssel zu einem Hund, der nicht einfach losrennt und alles hinter sich vergisst. Es macht gar nichts, wenn dein Hund eigentlich nicht wegen dir stehen geblieben ist, sondern weil es dort was zum erschnüffeln gab. 

Durch das Markersignal klinkst du dich in das Verhalten und in das Gehirn deines Hundes ein. Natürlich muss das Signal dafür gut aufgebaut sein, aber das geht schnell.

Dein Hund empfindet ein schönes Gefühl der Vorfreude, wenn er sein Markersignal hört. Er ist dadurch viel eher bereit, auf dich zu achten, und wird gute Dinge von dir erwarten.

Du hast noch kein Markersignal und möchtest eins aufbauen?
Hier findest du meinen Onlinekurs „So versteht dich dein Hund! Das positive Markersignal“

Statt Hund einfangen gutes Verhalten einfangen

Anstatt deinen Hund einzufangen, weil er zu weit weg läuft, fängst du ab jetzt gutes Verhalten ein: Immer dann, wenn dein Hund eines der oben aufgelisteten Verhalten zeigt, gibst du dein Markersignal und lobst ihn zumindest. Das ist besonders wichtig,  wenn dein Hund noch nicht bereit ist, eine Belohnung von dir anzunehmen, wenn es spannend ist in der Umwelt.  Wer kein Futter nehmen mag, den belohnt es auch nicht. Aber vielleicht belohnt sich der Hund mit einem scharfen Blick in den Wald, oder indem seine Nase im Wind einen tollen Geruch einfängt. Oder er läuft weiter und freut sich darüber.

Übe in ablenkungsarmer Umgebung

Übe die Arbeit mit dem Markersignal und vielseitigen Belohnungen also auch zunächst mit weniger starken Ablenkungen. So bekommt dein Hund eine Ahnung von den tollen Dingen, die du für ihn parat hältst.

Nach und nach wird er auch aus der spannenden Hundewelt auftauchen, um hier und da eine Belohnung abzuholen von dir.

Und sein Verhalten sollte sich nachhaltig ändern mit diesem Vorgehen.

Wenn du regelmäßig langsamer werden, stehen bleiben, zurückkommen und Blickkontakt mit deinem Markersignal und abwechslungsreichen Verstärkern belohnst, wirst du diese Verhalten viel häufiger sehen.

Zähle deinen Erfolg!

Um das zu kontrollieren, zähle also am besten vor dem Training einmal, wie oft dein Hund so etwas tut. Schreibe dir alle 4 Verhalten auf einen Zettel, und mache jedes Mal, wenn du so etwas siehst, einen Strich.  Hebe das Dokument gut auf!

Dann trainiere auf die beschriebene Weise. Nach 2 oder 3 Wochen nimmst du wieder einen Zettel mit, und machst dir wieder eine Strichliste. Sind diesmal mehr Striche auf der Liste?

Dann hast du erfolgreich trainiert!. Herzlichen Glückwunsch! Du bleibst dran, übst weiter auf diese Weise, und trainierst auch deinen Rückruf noch einmal mit richtig guten Verstärkern. Dann sind auch größere Entfernungen kaum noch ein Problem. Aber dein Hund sieht vielleicht gar keinen Grund mehr, sich so weit von dir zu entfernen.

In der Nähe bleiben

Auch dein Hund kann lernen, in deiner Nähe zu bleiben und ansprechbar zu sein.

Typischer Fehler

Zum Schluss möchte ich noch einen typischen Fehler erklären, den du dann nicht mehr machen musst, wenn du es einmal weißt.

Sehr häufig wird der Hund immer genau dann zurückgerufen, wenn er sich zu weit entfernt hat. Das Kommen wird belohnt, was ja auch grundsätzlich richtig ist.

Allerdings  wird ein positiv aufgebauter Rückruf selbst zu einer sehr genauen Vorhersage von Belohnungen, und dadurch zu einem sogenannten tertiären Verstärker, einem Verstärker der dritten Klasse sozusagen. Der erste (primäre) Verstärker ist die eigentliche Belohnung von dir, der zweite (sekundäre) Verstärker das Markersignal, denn es verspricht ja auch eine Belohnung, und vor dem Markersignal verspricht der Rückruf eine Belohnung. Das heißt, dass dein positiv aufgebauter Rückruf das Verhalten verstärkt, das dein Hund direkt davor gezeigt hat: Schnelles Rennen in die Ferne….

Natürlich sollst du deinen Hund belohnen, wenn er auf Zuruf schnell zu dir kommt. Auch dann, wenn er sich weit entfernt hat! Aber übe den Rückruf lieber genau dann, wenn er noch nicht so weit weg ist, wenn er gerade stehen geblieben ist, oder dich sogar anschaut.

Dann nutzt du ihn als Verstärker für diese Verhalten. Wenn er bei dir angekommen ist, folgt natürlich der primäre Verstärker, also Futter, Spiel, Lob und alles aus deiner Belohnungskiste.

Fehler im Training mit Schleppleine

Wenn dein Hund dich in seiner Geschwindigkeit noch überfordert, und du gar nicht so schnell schauen kannst, wie er weg ist, dann empfehle ich eine Schleppleine. Gerade ist Brut-und Setzzeit, und an vielen Orten Leinenpflicht.  Und wo nicht, macht es dennoch Sinn, auch Wildtiere zu schonen und seinen Hund lieber anzuleinen, wenn ich mir nicht sicher sein kann, wie er reagiert.

Ich nutze diese Zeit immer, um an der Schleppleine alles noch einmal abzusichern, auf ein noch besseres Niveau zu bringen als vorher. Dabei ist es wichtig, dass die Leine bei der Gabe von Signalen locker ist. Sonst verknüpft der Hund den Leinenzug mit dem Signal, und ohne Leine funktioniert es nicht mehr.

Wenn du also deinen Rückruf  oder die Umorientierung an der Schleppleine üben willst, nutzt du Momente, an denen die Leine locker durchhängt.