Hund eingrenzen oder Grenzen erweitern?

Hund eingrenzen?

Hund eingrenzen oder Grenzen erweitern?

Hund eingrenzen

Ich weiß, wie das ist.
Dein Hund tut Dinge, die Dir nicht gefallen. Du möchtest ihm Grenzen setzen.
Das ist doch der einfachste Weg. Oder etwa nicht?

Schauen wir uns das doch mal an. Kommen wir der Frage „Hund eingrenzen oder Grenzen erweitern“ ein Stück näher.

Du möchtest also Nein sagen zu Deinem Hund. „Tu das nicht!“. „Lass das!“. Du stellst Dir vor, dass Dein Hund genau das Verhalten dann lässt, und einfach etwas anderes macht. Oder nichts.

Er soll einfach nichts tun!

Nichts? Kann Dein Hund nichts tun?
Oooohhhh. Ich sehe Rauch aufsteigen über Deinem Kopf.

Es stimmt schon, das ist jetzt ein bisschen philosophisch: Wenn wir es genau anschauen, kann niemand wirklich nichts tun. Wir alle tun immer irgendwas. Atmen. Sitzen. Schauen. Schlafen.
Nichts tun geht nicht. Auch Hunde tun immer irgendwas. Stehen, schauen, atmen, sich hinsetzen, einen Grashalm kauen, schnüffeln.

Das ist auch die Falle beim Grenzen setzen. Du brichst Verhalten ab. Und dann? Probiert Dein Hund was anderes. Ist das immer das, was Du Dir vorstellst? Vermutlich nicht.

Du entlässt ihn ja in eine Art Vakuum. Darum verstehen viele Hunde so ein „Nein“ auch gar nicht – weil sie keine Information bekommen, was sie statt dessen tun sollen.

Eine andere Strategie

Wie wäre eine Strategie, bei der Du zwar am Ende des Tages auch unerwünschtes Verhalten abbrechen kannst, allerdings mit einem fairen, freundlichen Signal? Und bei der Du zuvor Deinen Hund trainierst, was er statt dessen tun soll?

Das würde folgendes bedeuten:

  1. Überlege Dir in Ruhe, welches unerwünschte Verhalten Du abbauen möchtest.
  2. Überlege dann, welches Verhalten Dein Hund statt dessen zeigen soll.
  3. Denke darüber nach, ob Dein Hund das überhaupt schon leisten kann, oder ob es eine Vorarbeit braucht im emotionalen Bereich. *
  4. Baue das erwünschte Verhalten auf und übe es in vielen Situationen, von einfach bis schwierig. (Stichwort „Ablenkungen“)
  5. Du baust ein faires Verhaltensabbruchsignal auf (Ohne Schmerz-oder Schreckreiz!), zum Beispiel das „Geschirrgriff-Signal“.
  6. Wenn Dein Hund das erwünschte, neu trainierte Verhalten in den meisten Fällen sicher zeigt, darfst Du das unerwünschte Verhalten mit dem fairen Abbruchsignal stoppen, und solltest es auch tun.

* Zu Punkt 3:
Wenn Dein Hund sich mega aufregt wegen irgendwas, kann er oft nicht einfach ein neues Verhalten lernen. Angst oder Aggression kannst Du am besten zuerst auf der emotionalen Ebene verändern. Du möchtest erreichen, dass sich Dein Hund beim Anblick des auslösenden Reizes gut fühlt anstatt ängstlich oder aggressiv zu reagieren. Das ist hier gemeint.

Kleine Schritte als Erfolgsrezept

Warum „darfst“ Du unerwünschtes Verhalten erst abbrechen bei Punkt 6? Du brauchst es vorher gar nicht abbrechen.

Gutes Training basiert auf kleinen Schritten. Kleine Schritte bedeuten, dass Dein Hund eine Aufgabe gestellt bekommt, die er mit „Ja“ beantworten kann.

„Kannst du ruhig hinschauen, anstatt Rabatz zu machen?“ – „Ja!“ So sollte das aussehen. Wenn Dein Hund „Nein“ sagt, also Rabatz macht, unerwünschtes Verhalten zeigt, ist es Deine Aufgabe, die Situation noch kleinschrittiger anzugehen. Wie kannst Du es leichter machen?

  • Du kannst die Distanz vergrößern
  • Oder auch den Reiz geringer machen (Beispiel: Anstatt große schwarze Hunde als Trainingspartner zu nehmen, nimmst Du kleine helle Hunde, wenn erstere das persönliche „Feindbild“ Deines Hundes sind)
  • Je nach Situation gibt es sicher weitere Möglichkeiten, die Aufgabe in einfachere Teilschritte zu zerlegen.

Grenzen setzen durch Aufbau eines Alternativverhalten

Wie schon oben erwähnt, ersparst Du Dir den Umweg über weitere unerwünschte Verhaltensvorschläge Deines Hundes. Statt ihn raten zu lassen, sagst Du ihm, was erwünschtes Verhalten in der Situation sein kann.

Natürlich darf ein Hund auch eigene Vorschläge machen, und Du darfst Dich darin üben, sie zu sehen und zu honorieren.

Nehmen wir wieder ein Begegnungsproblem. Dein Hund hat Angst vor fremden Menschen draußen. Bei einer Begegnung senkt er den Kopf und beginnt, ausgiebig an einem Grashalm zu schnüffeln. Das kann ein Verhalten sein, dass Du verstärken möchtest. Fange es also ein mit Deinem Markersignal und belohne es mit einem möglichst passenden (funktionalem) Verstärker.

Indem Du Verhalten verstärkst, das Dir gefällt, setzt Du sehr effektiv Grenzen. Du malst nur die andere Seite aus. Anstatt den Hund von außen einzugrenzen, zeigst Du ihm den erlaubten Bereich. Und der kann immer größer werden!

Grenzen erweitern

Grenzen erweitern

Wir möchten unsere Hunde immer mehr befreien. Wir wollen souveräne Hunde erziehen, die selbstständig die Herausforderungen des täglichen Lebens auf gutem Weg bewältigen. Die gute Entscheidungen treffen. Dabei können wir sie unterstützen, und ihre Grenzen so immer mehr erweitern.

Je mehr Verhaltensmöglichkeiten Dein Hund kennt, um so leichter fällt es ihm, sich adäquat zu verhalten, ohne überzureagieren. Wir können die Grenzen also von innen immer weiter nach außen schieben.

Ist das nicht viel schöner, als seinen Hund immerzu einzuschränken? Ihm immer nur zu sagen:“Hey, das darfst du nicht, und das auch nicht, und das schon gar nicht!“

Wir wissen selbst, wie viel Stress es auslösen kann, wenn man ständig kritisiert wird, ohne eine Alternative zu haben. Nicht zu wissen, wie ich es besser machen könnte, aber immerzu eins drauf zu kriegen führt zu Kontrollverlust. Und das ist ein bekannter großer Stressor. Auch für Hunde.

Wenn Stress sehr häufig vorkommt, führt er zu mehr unerwünschtem Verhalten. Auch das kennen wir von uns selbst. Nicht wahr?

Chronischen Stress vermeiden

Es sollte also darum gehen, Stress nicht zu einem chronischen Problem zu machen. Hin und wieder Stress zu haben ist nicht so ein Drama. Hunden wie Menschen tun Herausforderungen im Alltag gut. Sie sind es ja, über die wir unsere Grenzen erweitern lernen. Du darfst Deinen Hund also schon fördern und fordern. In Maßen. Angepasst an eure Situation, das Alter und den Gesundheitszustand des Hundes, an den Trainingsstand usw..

Aber andauernd eingeschränkt zu werden, begrenzt, geblockt, geruckt, bestraft zu werden erzeugt ungesunden Stress. Ich bin mir sicher, dass der Stress dabei nicht nur auf Seiten des Hundes entsteht…es macht auch mit uns etwas, ständig den Fokus auf das unerwünschte Verhalten zu legen, und eingreifen zu müssen. Schimpfen & Co. macht keine gute Laune.

Hier kannst du mehr lesen über Stress: Hintergrundstress – was ist das?

Hier geht es um ein ähnliches Thema wie in diesem Beitrag: Warum glauben Menschen an Dominanz und Hierarchie?

Gute Laune durch positive Verstärkung

Dagegen sorgt die positive Verstärkung für gute Laune. Es ist einfach herrlich, die vielen guten Seiten des Hundes zu sehen.

Positive Verstärkung sorgt für Vertrauen und eine gute Bindung. Sie führt zu gegenseitigem Respekt, denn Hunde schauen zu souveränen, ruhigen und freundlichen Menschen auf, die vorhersehbar reagieren. Und Du schaust respektvoll auf Deinen Hund, indem Du ihn als Individuum respektierst, mit all seinen Ecken und Kanten, Vorlieben und Bedürfnissen. Zu echtem positivem Training und Zusammenleben gehört ja unbedingt eine bedürfnisgerechte Verstärkung und auch sonst im Alltag eine artgerechte Haltung und typ-und individuum-gerechte Beschäftigung bzw. Bedürfnisbefriedigung.

Ach, und hast Du bei Dir selbst auch mal geschaut? Positive Verstärkung funktioniert auch mit uns selbst. Sage doch einfach mal was Nettes zu Deinem Spiegelbild. Und lächle es an. Freue Dich über Mini-Erfolge. Oder über die Kuscheleinheit auf dem Sofa mit Deinem Hund. Belohne Dich für eine gelungene Trainingseinheit.

Und achte auf Deine Bedürfnisse. Auch Du verdienst eine art-und typgerechte individuelle Haltung. 😜

Möchtest Du lernen, wie Du ein positives Markersignal aufbaust und anwendest? Dann klicke HIER

Über die Autorin Bettina Haas

Bettina Haas, Hundetrainerin aus Leidenschaft, zeigt dir, wie du zum besten Freund und Trainer für deinen Hund wirst. Damit du schnell und nachhaltig zum Erfolg kommst und dein Leben mit Hund (wieder) richtig genießen kannst!

3 Antworten

  1. Hallo liebe Bettina,

    wieder einmal habe ich deinen Beitrag mit viel Begeisterung gelesen. Vieles habe ich schon umgesetzt, da ich von dir sehr viel gelernt habe im Umgang mit mir und natürlich auch mit den Hunden. Unsere Hunde lieben Hasenkötel…..leider……ich versuche mit einem Handtouch die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und dann natürlich mit einem Leckerchen zu belohnen. Früher habe ich immer das Signal „AUS“ gegeben. Das hat nicht so prima geklappt….heute weiß ich warum. Also mit Touch und Ersatzbelohnung in Form von Leckerchen klappt es viel besser. Wieder einmal: Vielen Dank an Dich.
    Herzliche Grüße aus dem hohen Norden schickt dir …..Ines

    1. Danke für das nette Feedback! Freut mich so sehr, dass Dir meine Beiträge helfen, ein glückliches Leben mit Deinem Hund zu führen.
      Alles Gute weiterhin!

      Herzlich
      Bettina

  2. Liebe Bettina, danke für deine Hilfe. Meine Hündin will nicht so recht Spielzeug abgeben. Mit „Aus“ schon gar nicht und was ich bis jetzt probiert habe wollte nicht so recht gelingen. Nach deinem Artikel begann ich zu überlegen, was könnte ich statt dessen tun. Ich kam auf die Idee sie positiv zu bestärken und als sie mir das Spielzeug nicht abgeben wollte habe ich erst innegehalten und sie schaute mich verwundert an weil ich nichts sagte. Dann habe ich sie gelobt und quasi im Voraus bedankt dafür dass sie mir das Spielzeug überlassen hat – und SIE TAT ES!!! Erst glaubte ich an Zufall aber es hat sich oft wiederholen lassen. Nicht jedesmal aber sehr oft. War ich froh!

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