Was? DAS ist gutes Verhalten?
Wie du gutes Verhalten erkennst und häufig machst
Ich kam gerade vom Laufen nach Hause. Unterwegs an der Brücke ins Dorf traf ich unseren Nachbarn mit seiner Hündin. Er stand so da mit er Leine in der Hand, während der Hund angelegentlich am Boden schnüffelte und mich aus den Augenwinkeln anschaute.
Ich grüßte mit ruhiger Stimme, und lief langsam vorbei. Ich wusste was jetzt kommt, und es kam auch. Der Nachbar hat vermutlich auch genau auf dieses Verhalten gewartet, während er – nichts tat.
Seine Hündin kam auf mich zu und wollte mich begrüßen, und wurde natürlich am Halsband zurückgezogen. Ohne Ruck, aber dennoch irgendwie nicht richtig schön.
Warum? Weil der Mensch auf gutes Verhalten nicht reagiert hat. Denn das Schnüffeln am Boden ist ja ein tolles Verhalten, das der Hund zeigen kann, wenn Menschen vorbei kommen.
Oft ein Problem für den Hund
Viele Hunde haben mit Begegnungssituationen eher ein Problem als dass sie es toll finden. Sie haben vielleicht gelernt, dass sie die Menschen nicht anspringen dürfen, und haben die Begegnung durch eine aversive Trainingsmethode mit leichtem bis stärkerem Unbehagen verknüpft. Denn „normalerweise“ wird ja häufig mittels Leinenruck oder jedenfalls durch Zurückziehen signalisiert, dass der Kontakt nicht erwünscht ist. Manche Menschen bleiben vielleicht stehen und dann darf Kontakt aufgenommen werden. Der Hund weiß also nicht, ob er angefasst wird, ob er hin darf, oder ob er zurückgezogen wird.
Und es wird fast immer gewartet, bis der Hund etwas Unerwünschtes tut. Dann wird reagiert.
WAS? DAS ist gutes Verhalten?
Hätte ich dem Nachbarn gesagt, dass er das gute Verhalten hätte belohnen sollen, hätte er sicher gesagt: „WAS? DAS ist gutes Verhalten?“ Er hätte außerdem keinen Sinn darin gesehen, mit Futter zu belohnen. Geht doch auch so.
Ich finde das schade. Denn was gibt es Schöneres als eine gute Kommunikation zwischen dem Menschen und dem Hund? Wenn ich schon einen Hund halte, dann mag ich gerne mit ihm üben zu kommunizieren. Auf meine Art, nicht „wie ein Hund“.
Im Hundevokabular gibt es nämlich keine Worte für „Springe den Menschen nicht an“ oder „mach die Leine locker“. Diese Dinge sagen wir viel besser auf unsere Art. Über Belohnungen.
Wie du belohnst, wenn du was NICHT willst
Wenn du etwas nicht möchtest, hast du zwei Möglichkeiten:
1. Möglichkeit
Du belohnst alles gute Verhalten darum herum. Wenn es also darum geht, einen Menschen „einfach vorbei zu lassen“, dann belohnst du jedes Verhalten, das dir gefällt und das nicht „Auf den Menschen zu gehen“ ist.
Zum Besipiel:
- schnüffeln am Wegesrand
- hinsetzen und schauen
- hinlegen und auf einem Grashalm kauen
- sich vor dich hinsetzen und stolz gucken
- deine Hand anstupsen
- einen Bogen laufen
Wenn du diese Dinge belohnst, lernt dein Hund, was er in der Situation „Ein fremder Mensch kommt vorbei“ konkret tun kann. Denn die Idee, dem Hund zu zeigen, was er NICHT tun soll, klappt meistens eben nicht. Es lässt viel zu viel Spielraum, in dem der Hund raten muss, was du dir denn für ein Verhalten statt dessen wünschst.
2. Möglichkeit:
Du suchst dir ein spezielles Verhalten aus, das du deinem Hund zunächst separat beibringst. Separat heißt auf unser Beispiel bezogen: ohne dass da ein Mensch vorbei geht.
Du könntest zum Beispiel ein „Bei Fuß“ üben, oder ein Sitz am Wegrand.
Wenn dein Hund das Verhalten ohne Ablenkung gut kann, übst du es, wenn ein Mensch vorbei geht. Oder, wenn gerade Menschen für deinen Hund das allerschwierigste sind, besser zuerst mit anderen Reizen, die nicht so aufregend sind, und erst mit noch mehr Übung wirklich an Menschen.
Üben bedeutet für mich: Freundliche Ansprache, Hilfe durch Handzeichen, wenn nötig, und natürlich Belohnung wenn das gewünschte Verhalten gezeigt wird. Und immer in kleinen Schritten, damit dein Hund wirklich versteht, was du meinst.
Wie du genau ein Signal aufbaust, kannst du hier nachlesen: So baust du Signale auf
So findest du immer gutes Verhalten
Es stimmt schon, dass es eine Umstellung bedeutet, wenn ich dich auffordere, gutes Verhalten zu suchen. Denn wir sind das einfach nicht gewohnt. Jeder kennt das, dass so lange nichts gesagt wird, bis man einen Fehler macht, und dann wird geschimpft.
Du möchtest aber eine gute Beziehung zu deinem Hund erreichen, und ihn außerdem gut erziehen. Also trau dich, und probiere diesen Weg einfach aus.
Und sei mit dir genau so nachsichtig wie mit deinem Hund. Hey, du tust dein Bestes, oder? Na also. Ein Fehler ist kein Weltuntergang, weder deine Fehler noch die deines Hundes. Schau also immer auf die positive Seite eures Verhaltens. Hat nicht gerade alles richtig gut geklappt?
Beobachten
Wenn du jetzt startest mit der Jagd auf gutes Verhalten beginne mit Beobachtung. Beobachte die Situation, in der dein Hund häufig „Fehler“ macht. Oder in denen du häufig schimpfst, oder an der Leine ziehst.
Was tut dein Hund, bevor er unerwünschtes Verhalten zeigt? Könntest du das Verhalten gut finden?
Belohnen
Wenn du Verhalten gefunden hast, das du gut findest, dann beginne, es regelmäßig zu belohnen. Nimm dir dafür ruhig einen ganzen Beutel Leckerchen mit. Denn wenn du dich erst mal auf den Weg der positiven Verstärkung gemacht hast, wirst du viel gutes Verhalten entdecken.
Aber natürlich musst du nicht immer nur Futter verwenden. Du kannst alles nutzen, was deinem Hund gefällt. Achte auf seine Körpersprache, wenn du ausprobierst, ob auch Streicheln eine Belohnung für ihn ist. Denn allzu oft ist das in diesen Situationen ganz anders als auf dem Sofa.
Markersignal
Um deinem Hund ganz präzise zu sagen, für was genau er seine Belohnung bekommt, verwendest du am besten ein Markersignal. Hier erfährst du, was das ist: Warum dir ein Markersignal Vorteile bringt
Noch ein Beispiel
Eigentlich ist alles gesagt. Aber ich möchte noch ein Beispiel anfügen, das ich gerade selbst mit meiner Grace erlebt habe.
Wir saßen alle drei auf der Dachterrasse. Dort ist kein Geländer, und ich habe immer noch ein wenig Angst, Grace könnte mal wegen einer Katze runterspringen… Aber an sich ist sie sehr vorsichtig.
Nun, es wird dämmrig, und Grace wagt sich bis an die Kante der Holzterrasse. Außen ist zum Glück noch ein breiter Streifen mit Kies, und ich wäre glücklich, wenn sie lernt, einfach immer auf dem Holz zu bleiben.
Sie steht und schaut. Die Rute ist hoch erhoben und die Spitze zittert ein wenig.
Ich frage sie, ob sie sitzen kann. Sie steht.
Ich frage erneut: Grace, kannst du sitzen? – Sie steht.
Grace – SITZ! – Sie steht.
Ich beginne mich zu ärgern. Aber gerade rechtzeitig merke ich: Hey, ich kann doch das Stehen verstärken! Ich schalte also um. Ich warte ein paar Sekunden, um nicht das Falsche zu verstärken.
Sie steht.
Klick – super, Grace, so ist prima.
Und was geschieht? Grace setzt sich hin.
Unterstützung ist mehr Wert als Signale
Das klingt ein bisschen wie ein Witz unter Hundeleuten. In Wirklichkeit ist es viel mehr. Es ist ein Zeichen von Grace, dass ihr das Lob geholfen hat. Meine Unterstützung konnte sie annehmen, sie konnte in dem Moment aber nicht sitzen. Eigentlich hätte mir das Sitzen egal sein können, denn sie stand ja noch im grünen Bereich des Holzdecks. Es drohte keine Gefahr! Übrigens habe ich noch nie das Sitz auf der Terrasse geübt…
Darum ist diese Jagd nach gutem Verhalten so wirkungsvoll. Wenn dein Hund also beim nächsten Mal auf ein Signal nicht reagieren kann, dann überlege kurz, ob das Signal gerade lebenswichtig ist. Wenn nicht, überlege dir, ob du das jetzt gezeigte Verhalten unterstützen könntest.
Markiere und lobe das Verhalten. Und wenn du magst, kannst du nach einigen Wiederholungen noch einmal probieren, ob dein Signal jetzt befolgt werden kann.
Mit positiver Verstärkung geschehen manchmal Wunder
Du wirst es erleben, dass es noch Wunder gibt. Dein Hund wird sich verändern, wenn du bereit bist, dich zu verändern. Suche und belohne ab heute gutes Verhalten. Setze deinen Fokus darauf, anstatt auf das doofe Verhalten deines Hundes.
Belohne ihn mit echten Verstärkern. Und verlange nichts Unmögliches von deinem Hund. Er tut alles, was er kann. Wir unterschätzen aber oft die Schwierigkeit einer Situation, oder verstehen die Beweggründe unserer Hunde gar nicht. Darum reagieren wir aus Hundesicht oft ungerechtfertigt, denn für sie ist ihr Verhalten das Normalste auf der Welt.
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