(K)ein Welpe zu Weihnachten?
Mein Kindheitstraum
Als ich klein war, schrieb ich um diese Zeit meinen Wunschzettel. Er wurde am 5. Dezember in den Stiefel gesteckt, der dann am Fensterbrett aufgestellt wurde. Denn in der Nacht kam der Nikolaus und holte die Wunschzettel aller Kinder ab. Und das Tollste war, dass er in den Stiefel ganz tolle Süßigkeiten legte.
Eine aufregende Zeit. Ich wünschte mir oft Indianersachen. Ich kann mich erinnern, einen bunten Federkopfschmuck und zwei tolle Indianerperücken bekommen zu haben… und ein wunderschönes (in meinen Augen) Indianerkostüm, das meine Mutter selbst genäht hatte.
Ja, es gab immer viele tolle Wünsche, und viele der Wünsche wurden erfüllt. Nur ein Wunsch wurde mir nie erfüllt: Ich wollte einen Hund. ????
Heute verstehe ich…
Wir wohnten in der Stadt, in einem Haus mit sehr steilen Treppen. Unsere Haustür lag schon eine ganze Treppe hoch, dann kam eine Windfangtür und danach die nächste Treppe, die in den Wohnbereich ging. Die dritte Treppe führte zu den Schlafzimmern und dem Badezimmer. Vermutlich wäre das für einen Hund sowieso gesundheitlich nicht zumutbar gewesen auf Dauer.
So sehr ich mich jedes Jahr über die vielen wundervollen Geschenke freuen konnte, die ich bekam, so war ich doch immer ein bisschen traurig, dass mein sehnlichster Traum nicht erfüllt worden war. Hunde bekam ich schon. Aus Stoff. Der Dackel auf dem Foto lebt auch heute noch bei mir…
Natürlich versprach ich, dass ich meinen Hund jeden Tag füttern und mit ihm spazieren gehen würde. Ich bin nicht sicher, was ich mir damals unter „jeden Tag“ vorstellte… ????
Leben mit dem Traumhund
Ich hatte keine Ahnung, wie es wirklich ist mit einem echten Hund. Denn meine Traumhunde machten überhaupt keine Schwierigkeiten. Nie. Die zogen nicht an der Leine, die spielten lustig mit allen anderen Hunden, die hörten auf jedes meiner Worte, und ließen mich niemals alleine im Wald stehen. Krank wurden sie auch nicht, und ob sie alleine bleiben konnten, habe ich nie probiert, denn meine Traumhunde konnte ich immer überall hin mitnehmen…
Und jetzt bin ich mal wieder hemmungslos ehrlich. Als ich mir im zarten Alter von 38 Jahren meinen ersten Welpen holte, glaubte ich immer noch daran, dass ich es problemlos schaffen würde, diesen süßen Fratz zu einem vollkommen problemfreien Hund zu erziehen. Einfach so.
War ich naiv? Ja.
Hätte ich es besser wissen können?
Hm.
Hätte hätte Fahrradkette. Wer weiß das schon?
Wir dachten, ein Hund ließe sich mit einem klaren Ja und einem klaren Nein ganz einfach erziehen. Konsequenz ist nötig, die hatten wir. Wir wussten, was der Hund dürfen wird, und auf unseren Spaziergängen stellten wir uns vor, wie unser Hund jetzt vor uns her toben würde. Wir waren gerne draußen und gingen auch gern wandern. Das ist doch was für einen Hund.
Dein Kind wünscht sich einen Hund? Lies dies zuerst!
Als der kleine Kerl dann da war, war alles so total anders als in meiner Phantasie. Er war süß, keine Frage. Aber er mochte nicht so oft gestreichelt werden, wie ich ihn streicheln wollte. Er schnappte uns ab, wenn wir ihn mal kurz alleine gelassen hatten und zurück kamen. Wir wollten Mittags Ruhepause machen, er wollte spielen. Er biss uns in Hände und Füße und ließ sich durch nichts beruhigen. Und auf einem der allerersten Spaziergänge raste ein freilaufender, kläffender Hund bedrohlich auf ihn zu, und er versteckte sich hinter einem Busch anstatt bei mir. Ich wusste auch gar nicht, wie ich damit umgehen sollte…
Das schlimmste war, dass ich in einem Welpenbuch gelesen hatte, man dürfe mit Welpen keine Bällchen werfen und keine Zerrspiele machen. Dort stand aber nicht, wie ich mit dem Welpen spielen sollte. Ich vergesse es nie, wie er geschaut hat, als er spielen wollte und ich nicht darauf eingehen wollte…. mir zerriss es fast das Herz.
Warum erzähle ich das? Ich will dir sagen, dass es in Wirklichkeit immer anders ist, als man es sich vorstellt. Und dass jeder dazulernen muss, der sich einen Hund holt. Sogar dann, wenn es nicht der erste Hund ist.
Willst du es wirklich? 15 Jahre und mehr?
Es wird das eine oder andere Problem geben, wenn du dir einen Hund holst. Ein Hund ist kein Computer, in dem ein gut funktionierendes Programm einprogrammiert wurde, das jederzeit abrufbar ist. Sondern ein Lebewesen. Ein Hund hat eine Persönlichkeit, eigene Vorlieben, Wünsche, und er ist auch mal krank.
Manche Hunde können nicht gut alleine bleiben, Welpen sowieso nicht, weil sie dafür noch viel zu jung sind. Auch wenn Hunde viel ruhen und schlafen, brauchen sie Sozialkontakt über die meisten Stunden des Tages. Es macht einen großen Unterschied, ob der Mensch zur Verfügung steht oder nicht. Meiner Meinung nach sollte kein Hund länger als etwa vier Stunden am Tag alleine bleiben müssen.
Mit einem Hund fliegt man nicht mal so eben in Urlaub. Und nicht jeder Hund ist geeignet für eine Hundepension.
Hunde können Dinge verteidigen, oder andere Hunde nicht mögen. Sie können rempeln, hochspringen und sogar auch beißen. Sie machen Dreck ohne Ende. Junge Hunde nagen an Stuhlbeinen, zerreißen teure Decken und schreddern Kissen, dass die Federn fliegen. Die meisten Hunde sind leidenschaftliche Jäger. In der Stadt spezialisieren sich manche auf Radfahrer, Autos oder Katzen. Schon mancher Hundehalter fand sich auf dem Boden der Tatsachen wieder, nachdem sein Hund einem Vogel nachgesprungen ist.
Es kostet Geld, Zeit und Energie, wenn du einen Hund hast. Es führt dich an deine Grenzen. Du wirst weinen. Du streitest dich mit anderen Menschen über seine Erziehung. Du probierst Sachen aus, für die du dich anschließend schämst. Du bist frustriert, weil du glaubst, du kannst nicht mal einen Hund erziehen. Du gibst Geld aus für Hundeseminare oder Hundetrainer. Und für Bücher. Hundebücher. Oder du surfst nächtelang im Internet, um am Ende vollkommen verwirrt zu sein.
Es wird Zeiten geben, in denen du glaubst, du bist deinem Hund nicht gewachsen, oder du kannst ihm nicht gerecht werden. Vielleicht wünschst du dir eines Tages sogar, dass du ihn nie geholt hättest.
Möglich ist aber auch, dass dein Hund auf leisen Pfoten zu dir kommt, wenn du gerade auf dem Boden hockst und heulst. Er leckt dir über die Hände, über dein tränenüberströmtes Gesicht. Du weißt nicht, ob du lachen oder weinen sollst. Du liebst ihn. Du hasst ihn. Ach was, du liebst ihn.
DAS ist das Leben. So oder so ähnlich. Natürlich nicht genau so und bei jedem, denn jeder Mensch geht unterschiedlich mit Erlebnissen um, und jeder Hund auch. Außerdem habe ich übertrieben, um die Sache zu verdeutlichen. ????
Vergleiche dich nicht mit anderen
Es macht keinen Sinn, sich mit anderen zu vergleichen. Auch nicht vor dem Welpenkauf. Weißt du, was du tust? Du schaust zu einem Hund: „Oh, kann der schön Sitz machen!“ Dann zu dem nächsten: „So wie der frei auf dem Fußweg läuft, und seinen Menschen am Fahrrad begleitet, soll meiner das auch können!“ Und zum dritten: „Wie nett der mit den anderen Hunden spielt, das macht meiner auch mal so!“
Merkst du was? Du schaust dir die Schokoladenseiten von X Hunden an, und hoffst, dass deiner ALLE diese Vorteile in sich vereint. Das wird nicht klappen.
Du wirst viel Freude mit deinem Hund haben, wenn du ihn als Individuum wahrnimmst und auch bereit bist, ein wenig auf seine Persönlichkeit Rücksicht zu nehmen. Auf dieser Basis lässt sich gewünschtes Verhalten in Ruhe trainieren, so dass nach und nach tatsächlich viele deiner Wünsche in Erfüllung gehen.
Andererseits ist ein Hund eben keine Knetmasse, die wir einfach nach unseren Wünschen formen können.
Übernimm Verantwortung
Wenn du nach diesem Artikel der Ansicht bist, es wäre besser, noch mal darüber zu schlafen, ob du einen Hund möchtest, dann finde ich das großartig. Du hast Verantwortung übernommen. Verantwortung für dein Leben und für das Leben des Hundes, den du vielleicht jetzt gar nicht holst. Vielleicht findet sich später in deinem Leben eine bessere Gelegenheit, dir deinen Traum zu erfüllen.
Hunde sind keine Weihnachtsgeschenke, die man nach Silvester wieder abgeben kann. Wer einen Hund aufnehmen möchte, egal ob es ein Welpe sein soll oder ein älterer Hund, muss sich viele Gedanken machen, wie das Leben mit Hund realisierbar ist. Denn ein Hund läuft nicht immer „einfach so mit“ im Leben.