Hilfe, ist mein Hund hyperaktiv?

Hilfe, ist mein Hund hyperaktiv?

Hast du einen aufgeregten Hund und fragst dich manchmal, ob das noch normal ist? Geht dir sein Verhalten oft auf die Nerven? Scheint nichts wirklich zu helfen, was du probierst?

Hyperaktiv – ein häufiges Etikett

Wenn Menschen sagen „Ich habe einen hyperaktiven Hund!“, dann meinen sie häufig, dass ihr Hund aktiver ist als andere Hunde, die sie kennen. Ihr Hund ist dann sehr lebhaft, äußerst interessiert an der Umwelt, bellt vielleicht sehr häufig, lässt sich schnell ablenken, kaspert herum und ist sehr impulsiv.

Das Verhalten des Hundes ist so stark, dass die Menschen darunter leiden. Das ist auch kein Wunder, denn meistens werden sie belehrt von anderen Hundehaltern oder sogar durch Menschen ohne Hunde, dass sie ja offenbar große Erziehungsfehler begehen, weil ihr Hund so reagiert. Der Druck der Umwelt ist stark, und es scheint keine Lösung zu geben.

Bedeutet das nun, dass solche Hunde tatsächlich krank sind? Ist im Gehirn was anders als bei anderen Hunden? Die Antwort ist nicht so einfach.

Was ist normal?

Schauen wir uns einmal eine beliebige Gruppe von Hunden an. Da gibt es die Vielschläfer, die eigentlich nur ruhen, schlafen und fressen. Klar gehen sie auch mal gemütlich spazieren, aber sie sind nicht sonderlich aktiv dabei. Auf der anderen Seite gibt es Hunde, die große Schwierigkeiten haben, überhaupt einmal zur Ruhe zu kommen, die ständig unterwegs sind, hin und her laufen, bei jedem Geräusch bellen, sehr aufgeregt sind wenn ihr Ball ins Spiel kommt, und auf dem Spaziergang ständig in der Leine hängen. Dazwischen gibt es jede Menge Abstufungen.

Würde man eine Liste erstellen mit allen aufgeregten Verhalten, dann zeigen die Hunde ganz rechts in der Skala sehr viele davon, und die ganz links keine. Es gibt aber auch Hunde mit einigen, oder mit wenigen solcher Verhalten.

Es gibt Hunde, die viel schlafen, aber im wachen Zustand schon richtig Gas geben und sich auch mal aufregen können.

Oder solche, die viel wach sind, aber dabei ruhiges Verhalten zeigen, und nur manchmal in bestimmten Situationen bellen oder sich aufregen.

Solche Hunde sind nicht hyperaktiv, das steht fest. Die Frage bleibt, wo genau die Grenze ist? Was ist eigentlich normales Hundeverhalten?  Schließlich verhält sich ein pubertierender Junghund ja auch nicht so wie ein älteres Tier.

Rassebedingtes Verhalten

Verhält sich ein Deutscher Schäferhund genau so wie ein Papillon? Oder ein Herdenschutzhund so wie ein Ungarischer Vizsla? Wir haben so viele Rassen, von denen die meisten für einen bestimmten Zweck gezüchtet wurden. Daraus ergibt sich bereits eine große Bandbreite von „normalem“ Hundeverhalten.

Außerdem ist Verhalten von individuellen Erlebnissen und deren Verarbeitung abhängig.

Darum ist es sehr schwierig, eine eindeutige Definition zu finden, ab wann Verhalten als hyperaktiv einzustufen ist. Aber ist es überhaupt wichtig, zu wissen, ob Hyperaktivität vorliegt, um das Problem zu behandeln?

Wann ist ein Hund hyperaktiv?

Maria Hense schreibt in ihrem Buch:“Der hyperaktive Hund“ (übrigens sehr empfehlenswert!) folgendes:

  1. „Hyperaktiv sind Hunde, die auf kleinere Auslöser stärker reagieren als Artgenossen. Sie sind häufiger, heftiger und ausdauernder aktiv. Oft erleben sie starke Emotionen. Als Maßstab dient der Vergleich mit anderen Hunden ihrer Rasse und ihrer Altersgruppe.
  2. Hunde, deren lebhaftes Verhalten altersgemäß typisch oder rassebedingt ist, könne wie hyperaktive Hunde therapiert werden, wenn ihre Menschen unter ihrem Verhalten leiden.“

Ein Seminar veränderte meine Einstellung

Ich kann mich noch genau erinnern an ein Seminar mit Maria Hense zu diesem Thema. Sie sagte, dass jeder, dem es hilft, sagen darf, dass sein Hund hyperaktiv sei. Mir fiel damals ein Stein vom Herzen. Denn obwohl ich irgendwie wusste, dass mein Hund nicht wirklich dazu zählt, half mir dieses Etikett, endlich die Maßnahmen zu ergreifen, die sinnvoll sind.

Warum? Ich meinte immer, wenn mein Hund „normal“ ist, muss er auch normal behandelt werden. Normal hieß für mich, dass ich keine besondere Rücksicht nehmen muss.

Ich dachte, ein normaler Hund

  • kann  „überall“ mit hin
  • regt sich nicht bei jeder Kleinigkeit auf
  • reagiert auf meine Signale, wenn ich sie trainiert habe, egal in welcher Situation
  • kann eine lange Wanderung mitmachen, ohne ausfallend zu reagieren
  • verhält sich bei Begegnungen mit Menschen und Hunden angemessen

Ein Etikett kann manchmal doch helfen

Nun hatte ich meinem Hund das Etikett „hyperaktiv“ aufgedrückt – und nahm mir heraus, einfach mal zu schauen, WAS er konnte und was nicht.

Ich hatte meinen Hund endlich so angenommen, wie er war. Ich verstand, dass Charly nur eine gewisse Dosis an Reizen aufnehmen kann, und danach wieder eine Pause benötigt. Darum haben wir  die Länge unserer Wanderungen eingeschränkt.

Ich akzeptierte, dass Charly mit fremden Hunden keinen Kontakt wünschte, und trainierte mit ihm alternative Verhaltensweisen.

Ich bemerkte (nach Jahren!) dass Charly durchaus kleine Probleme bei der Begegnung mit fremden Menschen unterwegs hatte, und half ihm in diesen Situationen.

Ich machte mit ihm Entspannungstraining.

Und ich habe ihn mit gutem Gewissen auch mal zu Hause gelassen, wenn ich irgendwo hin wollte, wo er sich nicht wohl fühlen würde.

Auf der anderen Seite beachtete ich seine Bedürfnisse: Was brauchte er zum glücklichen Hundeleben? Davon gab ich ihm so viel wie möglich.

In diesem Sinne hat mir das Etikett „hyperaktiv“ geholfen, meinen Hund so zu sehen, wie er war. Charly war ganz sicher nicht hyperaktiv. Er schlief viel, und konnte sich konzentrieren.  Aber unsere ersten Jahre waren geprägt von Missverständnissen und meiner Unwissenheit, warum er sich so verhielt wie er es tat.

Kein grünes Licht für Etiketten!

Damit wir uns richtig verstehen: Ich gebe damit der Etikettierung von Hundeverhalten kein grünes Licht! Ich lege großen Wert darauf, dass Hundeverhalten beschrieben wird, anstatt dass ein Etikett den Hund in eine Schublade steckt, und die Therapie aufgrund dieser „Diagnose“ ausgesucht wird. In den meisten Fällen führt eine Benennung des Verhaltens nicht weiter. Ein Hund, der andere Hunde anbellt, und deshalb als „aggressiv“ eingestuft wird, obwohl er noch nicht einmal gebissen hat, würde unter dem Etikett leiden, beziehungsweise seine Menschen könnten zu falschen Schlüssen kommen. Denn leider wird häufig auf Strafe zurückgegriffen, wenn die „Diagnose“ das Verhalten als außergewöhnlich stark darstellt.

Am Beispiel von (hyper-)aktiven Hunden kann jeder sehen, dass Strafe zu keinen guten Resultaten führt. Denn sie verunsichert den Hund noch mehr, und führt dadurch zu noch mehr unerwünschtem Verhalten. Aufgeregte Hunde sind häufig sowieso eher verunsicherte Hunde. Selbst aggressives Verhalten hat seine Ursache in einer Unsicherheit, so dass der Hund glaubt, er müsse sich oder seine Ressourcen verteidigen. Er ist sich nicht sicher, dass er selbst unversehrt bleibt oder dass er Dinge oder Sozialpartner behalten darf. Darum vertreibt er andere Hunde oder Menschen.

Gefühle machen Verhalten

Wem klar wird, dass jegliches Hundeverhalten mit Gefühlen zusammenhängt, dringt viel tiefer ein in die Seele seines Hundes. Durch Verständnis für die Gefühlswelt oder zumindest das Wissen darüber, dass Hunde Gefühle haben so wie wir, bekommst du den passenden Zugang zu deinem Hund.

Wir werden natürlich nie sicher sein können, was der Hund gerade fühlt. Wer kann schon ins Gehirn schauen? Wir wissen ja nicht einmal von vertrauten Menschen ganz genau, wie oder was sie fühlen.  Das ist absolut individuell.

Kein Hund ist aufgeregt, weil er die Weltherrschaft erringen will. Das ist sowieso das dümmste „Konzept“, das es gibt. Vergiss es einfach…

Was tun mit deinem aufgeregten Hund?

Was genau kannst du jetzt sofort tun, wenn du unter dem aufgeregten Verhalten deines Hundes leidest?

Es gibt einiges zu tun. Ich möchte hier nur einen groben Überblick über einige Punkte geben. In weiteren Artikeln erkläre ich das Training im Einzelnen.

  • Checke die Gesundheit deines Hundes
  • Sorge für ausreichende Ruhephasen – was nicht bedeutet, den Hund stundenlang alleine zu lassen!
  • Sei freundlich und klar  im Umgang mit dem Hund
  • Trainiere sauber – oft entsteht „Hyperaktivität“ durch schlechtes Training
  • Achte darauf, ruhiges Verhalten zu belohnen, und belohne nicht das unerwünschte Verhalten
  • Springe nicht im Methodendschungel hin und her – Nutze positive Verstärkung und bleibe dabei
  • Sorge für geistige Auslastung ebenso wie für körperliche Bewegung – Und wisse: zu viel ist genau so schlecht wie zu wenig
  • Kenne die Bedürfnisse deines Hundes und befriedige sie so gut wie möglich
  • An Problemen selbst herum probieren heißt: Tierversuche betreiben – hole dir fachkundige Hilfe von einem positiv trainierenden, ausgebildeten Hundetrainer oder -trainerin
  • Es gibt für sehr aufgeregte, sensible und hyperaktive Hunde eine Menge guter Übungen, die du nutzen solltest, um deinen Alltag mit solch einem Hund angenehm zu gestalten

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So lernt dein Hund sich zu entspannen: Konditionierte Entspannungssignale

Über die Autorin Bettina Haas

Bettina Haas, Hundetrainerin aus Leidenschaft, zeigt dir, wie du zum besten Freund und Trainer für deinen Hund wirst. Damit du schnell und nachhaltig zum Erfolg kommst und dein Leben mit Hund (wieder) richtig genießen kannst!

2 Antworten

    1. Hallo Carlota,

      unabhängig von der genannten Seite: Ich habe einige Kunden, die CBD-Öl nutzen für ihren Hund, und es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, ob es hilft oder nicht. Rein wissenschaftlich gibt es meines Wissens noch keinen Nachweis über eine Wirksamkeit. Meine Empfehlung: Setze Dich vor allem a) mit einem guten Trainer*in zusammen, um am (vielleicht bestehenden) Problemverhalten zu trainieren und begleitende, entspannende Maßnahmen zu ergreifen, die das Leben sowohl des Hundes als auch eures entspannen und entstressen. Und b) mit einem Tierarzt oder Verhaltens-Tierarzt oder einem alternativ arbeitenden Tiermediziner, um geeignete Maßnahmen für Deinen Hund zu finden.

      Auf der genannten Seite selbst habe ich beim ersten überfliegen sofort einige Ungereimtheiten gefunden, die mich zum Teil ziemlich triggern. Zum Beispiel den Tipp, wie Alleinebleiben trainiert wird. DAS REICHT NICHT wenn der Hund wirklich Trennungsstress hat!

      Darum auch noch mal: Wenn Dein Hund Verhalten zeigt, dass wie Hyperaktivität aussieht, gilt es, die Ursachen zu finden und zu beseitigen. Oft findet man sie genau dort: Trennungsstress, der nicht erkannt wurde bisher. Der Umgang, der viele Missverständnisse mit sich bringt zwischen Hund und Mensch. Das Training, das vielleicht doch hier und da mit Strafe arbeitet. Arbeitszeiten der Bezugspersonen, die dazu führen, dass zu wenig Zeit für den Hund übrig bleibt, der Hund mehr bei anderen Menschen als bei seinen eigentlichen Menschen ist… Solange die Ursachen nicht verringert werden, hilft auch kein CBD-Öl. Es gibt kein Wundermittel, dass dem Hund so gut tut, dass alles andere egal ist…

      Ich hoffe, dass diese Worte bei Dir richtig ankommen, denn sie sind freundlich und wertschätzend gemeint, auch wenn sie vielleicht etwas heftig klingen. Ich möchte Dir die Augen öffnen, was Dein Hund vor allem braucht. Das ist nicht das CBD Öl.

      Danke und liebe Grüße
      Bettina

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