Silvester-Angst bei Hunden: So sorgst du für einen entspannten Jahreswechsel

Das Jahresende rückt näher, und während wir uns auf die festliche Zeit freuen, kann es für unsere pelzigen Freunde ziemlich stressig werden. Silvester-Angst bei Hunden ist keine Seltenheit und kann für die Vierbeiner ganz schön belastend sein. In diesem Beitrag werfen wir einen gemeinsamen Blick auf die Ursachen von Silvester-Angst und wie wir unsere Hunde unterstützen können.

Die Silvester-Angst bei Hunden verstehen

Dein Hund zittert, hechelt, speichelt und will sich verkriechen zu Silvester? Oder er bellt wie verrückt und will jeden Böller angreifen? Das sind typische Anzeichen, dass dein Hund gerade richtig Stress hat.

Hier findest du einen ausführlichen Artikel über Angst bei Hunden: „Dir passiert doch nichts!“

Es ist wichtig zu verstehen, dass er das nicht mit Absicht tut, um dir den schönen Abend zu verderben, sondern dass er echte Panik erlebt. Versetze dich mal in seine Lage: Dein Hund hat keine Ahnung von unserer Vorstellung eines Jahreswechsels. Er hört, sieht und riecht aber vollkommen ungewohnte Sachen – es ist schrecklich laut, zischt und knallt, es riecht nach Feuer und grelle Lichter erhellen die Nacht. Und das oft sehr plötzlich und nah. Das kann er nicht einschätzen, und bekommt große Angst. Was ist zu tun?

Sei ein Sicherheitsanker

Wichtig ist, wie du auf die Ängste deines Hundes reagierst. Deine eigene Gelassenheit überträgt sich auf deinen Vierbeiner. Sei der verlässliche Sicherheitsanker, der deinem Hund Sicherheit vermittelt. Denn soziale Unterstützung spielt hier eine entscheidende Rolle. Du bringst deinen Hund in die Situation (jedenfalls im weitesten Sinne) und bist dafür verantwortlich, sein inneres Gleichgewicht so gut es geht wieder herzustellen oder zu erhalten. Die Angst einfach zu ignorieren wäre komplett falsch!

Sei also bitte da für deinen Hund! Es geht überhaupt nicht, dass du deinen Hund um 0 Uhr in der Wohnung alleine lässt und schön böllern gehst draußen. Absolutes NO-GO! Und einen ängstlichen Hund mit raus nehmen, egal ob auf 4 Pfoten oder auf deinem Arm wie oben im Foto, das geht genauso wenig!

Ebenso bin ich kein Freund davon, den Hund in eine, wenn auch vielleicht etwas abgelegene, Hundepension zu geben über Silvester. Du weißt nie, was passiert, und es hilft ihm doch nicht, solche schwierigen Momente auch noch ohne dich zu erleben! Dein Hund braucht dich als verlässliche Bezugsperson. Ist dir die Knallerei wirklich wichtiger als dein „bester Freund“?

Was du natürlich gerne tun darfst, ist, mit deinem Hund gemeinsam an einen Ort zu fahren, wo euch keine oder jedenfalls kaum Böller belästigen. Das ist sogar eine richtig gute Idee.

Aber wie ist das jetzt mit der Unterstützung, verstärkst du damit nicht die Angst deines Hundes?

Verstärkung von Verhalten, nicht von Emotionen

Da kursiert oft ein Mythos: Positive Zuwendung könnte die Angst verstärken. Tatsächlich bezieht sich der Begriff der Verstärkung auf Verhalten und nicht auf Emotionen. Wir verstärken mit positiver Interaktion mit unserem Hund sein gerade gezeigtes Verhalten. Angst wird aber definitiv nicht größer durch deine soziale Unterstützung. Deine Liebe und Aufmerksamkeit schaffen eine sichere Umgebung, keine zusätzliche Angst. Hier kannst du mehr dazu lesen: Kann Angst verstärkt werden?

Du kannst sogar bei jedem Knall sofort Marker und Leckerchen geben – hochwertige Leckerchen, die dein Hund auch bei Stress eher nicht ablehnt – oder ihn mit ruhiger Stimme loben, wenn er nicht fressen kann. Wenn du diese Technik konsequent bereits in den Tagen vor Silvester anwendest, arbeitest du definitiv in die richtige Richtung mit deinem Hund. Und nein, Angstverhalten wird hier nicht verstärkt, denn Angstverhalten tritt nicht zum Spaß auf, sondern ist fest mit der Emotion Angst verknüpft. Dein Hund fühlt sich aber sicherer durch das Markerwort, das seine Angst verringert durch die Vorhersagekraft auf gute Dinge. (Vor)-freude und Angst passen nicht zueinander – die Freude vertreibt die Angst. Habe also ruhig einen großen Sack an leckeren Spezialitäten für deinen Fellkumpel parat und gib für jeden Knall ein Gutti.

Erfahre mehr über die Vorteile eines Markersignals: Beitrag zum Thema Markersignal

Würdest du ausgerechnet zu Silvester deinen Hund plötzlich innig umarmen, ihn küssen und wie wild streicheln, weil du ihn trösten möchtest, machst du gerade alles falsch. Denn Hunde mögen Umarmungen meistens nicht, und geküsst werden empfinden viele als Bedrohung.

Was du zu Silvester tun kannst

Am 31.Dezember um 16 Uhr ist es auch schon viel zu spät, um vorbereitende Maßnahmen zu treffen. Damit darfst du sofort beginnen, am besten Wochen oder Monate vor dem Jahreswechsel. Was und wie viel du tun musst, um deinen Hund optimal zu unterstützen, hängt vom Erleben deines Hundes ab. Ein Hund, der einfach nur etwas aufgeregter ist, aber ansprechbar und nicht panisch reagiert, ist mit den folgenden 4 praktischen Tipps vielleicht schon das Stück entspannter, dass es braucht, um für euch alle einen gemütlichen Abend zu erschaffen.

4 praktische Tipps für Silvester:

1. Sicherer Rückzugsort: Gib deinem Hund einen sicheren Ort, vielleicht eine kuschelige Höhle oder einen ruhigen Raum.
2. Rollläden schließen: Vermindere visuelle Reize, indem du die Rollläden schließt. Das schützt deinen Hund vor den Lichtblitzen des Feuerwerks.
3. Beruhigende Musik: Spiele nicht zu leise, entspannende Musik, um die Geräuschkulisse des Feuerwerks zu überdecken und eine entspannte Atmosphäre zu schaffen.
4. Kausachen: Biete deinem Hund Kauspielzeug oder Kauknochen an, um ihn abzulenken und positiv zu beschäftigen.

Dagegen benötigt ein Hund mit einer sehr starken Angstreaktion unbedingt vorbereitende Maßnahmen. Denn Dinge wie ein sicherer Platz, entspannen können mit einer speziellen Musik, alle diese Maßnahmen sollte dein Hund bereits kennen und lieben, um dann zu Silvester darauf zurückgreifen zu können. Nur so kann er ausreichend Wohlgefühl und Sicherheit bekommen, dass seine Panik geringer wird.

Vorbereitende Maßnahmen für die Silvesternacht

Der sichere Platz

Wenn du also weißt, dass dein Hund bei der Silvesterknallerei panisch und ängstlich reagiert, suche dir den schallgedämpftesten Raum deiner Wohnung aus, und baue dort für ihn einen sicheren Platz auf, den er jederzeit aufsuchen kann. Bei manchen meiner Kunden ist das im Keller. Heutige Keller sind ja nicht mehr die dunklen, kalten Verliese von früher, sondern häufig beheizbare, angenehme Aufenthaltsräume. Einige Hunde legen sich direkt in den Wäschekorb, denn dort riecht es so schön nach den Bezugspersonen, ist weich und gemütlich.

Du kannst dort aber natürlich auch eine Faltbox aufstellen, die du vielleicht zusätzlich mit dicken Decken umhüllst, um noch mehr Schallschutz zu erreichen. Denke aber daran: Dein Hund braucht auch Luft zum Atmen…zu viel Kunststoff um die Box kann zu Atemnot führen, und das wäre Angst vergrößernd. Bitte, bitte: Du sperrst deinen Hund auf gar keinen Fall (!!!!) in die Box ein, während du draußen feiern gehst. Wenn du so handeln möchtest, kauf dir ein Stofftier und gib deinem Hund bei verantwortungsvollen Menschen ein neues Zuhause.

Für Silvester könntest du euch beiden dort ein gemütliches Plätzchen einrichten. Ein paar Decken, Kissen und etwas Musik machen das Lager angenehm kuschelig. Übe das am besten wirklich auch vor Silvester schon, damit dein Hund nicht Angst verknüpft mit dem Platz, sondern einfach schöne, gemeinsame Kuschelzeit. Dann hast du das Wichtigste schon erreicht: Dein Hund hat einen sicheren Platz für die Silvesternacht.

Konditionierte Entspannungssignale

Wusstest du, dass du bestimmte Dinge mit einem entspannten Zustand deines Hundes verknüpfen kannst, und dann diese Dinge deinen Hund entspannter machen? Das kann für Silvester ausgesprochen hilfreich sein. Du nutzt dafür einfach die Ruhephasen deines Hundes, zum Beispiel nach dem Gassi. Es dauert nicht lange, solche Signale aufzubauen, sondern erfordert nur ein wenig „dran denken, es zu tun“.

In meinem Onlinekurs „Entspannung für Hunde – Konditionierte Entspannungssignale“ lernst du alles, was du dafür brauchst, um 4 praktische Entspannungssignale aufzubauen. Damit hast du einen weiteren Baustein in der Hand, um deinen Hund zu Silvester, aber auch in anderen schwierigen Situationen, gut zu unterstützen und zu entspannen.

Sichere dir hier deinen Platz im Kurs: „Entspannung für Hunde – konditionierte Entspannungssignale“

Schallschutz auf den Ohren

Ebenfalls lange vor Silvester solltest du mit deinem Hund üben, wenn du ihm einen Schallschutz aufsetzen möchtest. Es gibt zum Beispiel kopfhörerartige Ohrenschützer speziell für Hunde mit Geräuschangst. Du kannst sie unter „Mutt muffs“ ergoogeln. Das Tragen von solchem Schallschutz muss natürlich gut und positiv aufgebaut werden, sonst geht der Schuss nach hinten los. Falls du so etwas verwenden möchtest, wende dich an (positiv trainierende) Trainer*innen und lasse dir zeigen, wie du das machst.

Thundershirt

Ein weiteres anziehbares Teil ist das Thundershirt, eine Art Body aus elastischem Material mit Klettverschlüssen, das eng anliegend am Körper einen leichten Druck erzeugt und damit einigen Hunden hilft, sich zu entspannen. Der leichte Druck löst – wenn es klappt – die Ausschüttung des Hormons Oxitocin aus, das „Kuschelhormon“ im Volksmund. Bevor du es deinem Hund anziehen kannst, solltest du unbedingt die Geräusche der Klettverschlüsse mit guten Dingen verknüpfen, damit dein Hund keine Angst bekommt beim Ausziehen des Thundershirts. Googel es einfach, wenn du eins bestellen möchtest.

Der Kauf ist natürlich ein Wagnis, weil du nicht weißt, ob dein Hund es mögen wird. Allerdings ist das nahegelegene Tierheim vielleicht dankbar für eine Gabe, falls es wirklich nicht klappt. Einen Versuch ist es wert!

Alternativ dazu wird die Verwendung von Körperbändern empfohlen. Dies wird auch bei Menschen angewendet, löst bei mir persönlich aber eher Verkrampfung statt Entspannung aus 🤪. Das ist aber sicher sehr persönlich und dein Hund könnte es lieben. Es ist leicht anzuwenden und es gibt keine Irritationen durch die Geräusche von Klettverschlüssen wie beim Thundershirt. Hier kannst du sie bestellen.

Beruhigende Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel

Für besonders ängstliche und panische Fellkumpels kann es Sinn machen, mit dem Tierarzt (besser noch: einem guten Verhaltenstierarzt/-ärztin) zu besprechen, ob und wie deinem Hund mit medizinischen Mitteln geholfen werden kann. Einige Mittel müssen längere Zeit vorher bereits gegeben werden, andere nur akut. Allerdings solltest du vorsichtig sein und genau nachfragen, wie das Medikament wirkt. Denn es gibt auch Beruhigungsmittel, die den Hund nur äußerlich „beruhigen“, aber er ist quasi wie gelähmt, während die Angst genauso stark in ihm tobt wie vorher – DAS ist nicht sinnvoll!! Der Wirkstoff, den ich hier anspreche, heißt Acepromazin. Hier findest du einen Blogbeitrag von Tierarzt Ralph Rückert. 

Bitte denke daran, was auch Ralph Rückert schreibt: Es gibt wider Erwartend immer noch Kolleg*innen von ihm, die Medikamente mit dem Wirkstoff Acepromazin verschreiben. Sei also achtsam!

In manchen Fällen genügen auch Nahrungsergänzungsmittel wie Zylkene oder L-Theanin – allerdings ist das selten ausreichend bei besonders starken Ängsten.  Egal auf was du zurückgreifst: Es ersetzt nicht die anderen Maßnahmen für die Bewältigung! Also „Pille rein in den Hund und dann schafft der das schon“ ist der falsche Ansatz!! Ein Angst lösendes Medikament kann allerdings Training und Management besser wirken lassen.

Fazit:

Silvester-Angst bei Hunden ist eine ernstzunehmende Sache, die aber mit der richtigen Herangehensweise und Unterstützung gut bewältigt werden kann. Du spielst eine entscheidende Rolle als Sicherheitsanker, indem du eine verlässliche Umgebung schaffst und soziale Unterstützung bietest. Mit den praktischen Tipps und den weiteren beschriebenen Bausteinen sowie innovativen Ansätzen wie die konditionierten Entspannungssignale können wir unseren Hunden dabei helfen, das neue Jahr ohne übermäßigen Stress zu begrüßen.