Entspannung für Hunde – Immer gechillt?
Muss dein Hund die ganze Zeit entspannt sein? Darf er sich nicht mal aufregen, oder richtig aufdrehen? Oder warum ist mir das Entspannung für Hunde so wichtig?
Ich kann dich beruhigen: Dein Hund darf sich aufregen, er darf richtig die Sau rauslassen beim Spielen, er darf sich ein Loch in den Bauch freuen, und überhaupt lebhaft und aktiv sein.
Bei Entspannung für Hunde geht es darum, bei Bedarf die Aufregung reduzieren zu können, oder deinem Hund nach aufregenden Erlebnissen wieder in die Entspannung zu helfen. Es geht absolut nicht darum, deinen Hund in eine Schlaftablette zu verwandeln.
Wenn ich von Entspannungstraining spreche, kann es um viele verschiedene Ansätze gehen. Du kannst deinem Hund nämlich auf sehr vielen Wegen zu mehr Entspannung verhelfen.
Umgang & Training
Die Art deines Umgangs spielt eine große Rolle bei der Entstehung von Stress. Dauerhafter Stress ist äußerst ungesund, weil dadurch Ruhephasen gestört sind. Chronischer Stress führt nicht nur zu Verhaltensauffälligkeiten, sondern hat sehr häufig auch gesundheitliche Folgen.
Ich habe schon öfter davon geschrieben, dass Training über Strafen im wirklichen Leben kaum sinnvoll ist. Die Verwirrung, die wir stiften, wenn wir Strafe unkorrekt anwenden, ist immens.
Gerade hatten wir das Thema Stromschläge. Kennst du das, dass du im Winter bei trockener Luft kleine Stromschläge bekommst, wenn du etwas falsches anfasst? Manchen passiert das in der Wohnung, mir ist es öfter auf Rolltreppen passiert oder beim Aussteigen aus dem Auto. Die Angst vor dem nächsten Stromschlag ist unangenehm, obwohl diese kleinen Schläge ja nicht der Rede wert sind. Dennoch nervt es, und wenn du nicht genau weißt, wieso und wann du sie bekommst, ist es stressig, weil du es nicht verhindern kannst.
Wer solches schon erlebt hat, versteht vielleicht besser, dass Training über zugefügte Schmerzen oder Schreckreize nicht nur unangenehm ist für den Hund, sondern aufgrund der falschen Anwendung (Strafe richtig anzuwenden erfordert noch größeres Wissen und Können als mit positiver Verstärkung) tierschutzrelevant.
Laut Tierschutzgesetz dürfen Tieren keine Schmerzen zugefügt werden, wenn sie vermeidbar sind. Da es Training mit positiver Verstärkung gibt, und das auch richtig gut funktioniert, kannst du also auf zugefügte Strafen verzichten. Damit ist der Anfang gemacht für einen stressfreien Umgang.
Wenn du dann noch darauf achtest, dass dein positiver Umgang auch wirklich gut ist, hast du viel geschafft! Hier kannst du darüber lesen, wie du dein Training verbessern kannst:
So trainierst du deutlich stressfreier
Warum dir ein Markersignal Vorteile bringt
Alle weiteren Punkte gehören eigentlich zu „Umgang“ dazu, werden aber noch einmal gesondert aufgeführt wegen ihrer Wichtigkeit.
Wo sind Verstärker?
Manchmal wird die Aufregung geradezu trainiert. Dann nämlich, wenn die Bezugspersonen unbewusst das aufgeregte Verhalten verstärken. Das kann schon durch leichtes Nörgeln oder Schimpfen passieren, wenn man doch glaubt, dass der Hund versteht, dass das keine Verstärkung sein soll. Viele Hunde verbuchen das als positive Zuwendung, vor allem, wenn sie davor gerade wenig Aufmerksamkeit bekommen haben.
Das Gute daran ist, dass wir die Aufregung dann auch schnell wieder wegtrainieren können. Der Fokus liegt auf erwünschtem Verhalten, also dem entspannten Verhalten, das sich die Bezugsperson vorstellt. Das wird regelmäßig verstärkt.
Natürlich lässt sich nicht jedes aufgeregte Verhalten einfach ignorieren, sondern du musst genau hinschauen, was die Motivation des Hundes ist. Nur wenn das Verhalten tatsächlich ausschließlich das Ziel hat, deine Aufmerksamkeit zu bekommen, hilft Ignorieren. Dann solltest du das Verhalten wirklich komplett ignorieren, indem du woanders hinschaust, schweigst, dich abwendest und so gut es geht entziehst von deinem Hund. Wenn er gewohnt ist, dass du auf eine bestimmte Weise reagierst, wird er sich bald zu dir umsehen und ihm bleibt vielleicht die Schnauze offen stehen vor Staunen, dass du dich nicht mit aufregst. Das könnte der Moment sein, wo du mit dem Markerwort antwortest und eine Belohnung gibst.
In Zukunft kannst du auch schon dann mit Training beginnen, wenn du ahnst, dass gleich das unerwünschte Verhalten eintreten würde. Markiere und belohne das noch gute Verhalten, und du wirst schnell zu Erfolg kommen.
Insgesamt kann ruhiges Verhalten auch durch Belohnungen aufgebaut werden, allerdings gilt es, darauf zu achten, dass die Belohnungen nicht wieder Aufregung nach sich ziehen.
Stressmanagement im Alltag
Routinen und Vorhersagekraft des Hundes
Zur Gestaltung des Alltags gehört unbedingt dazu, wie groß die Vorhersagekraft des Hundes ist über die Dinge, die als nächstes geschehen. Je klarer der Hund weiß, was als nächstes passiert, um so stressfreier ist sein Alltag.
Je klarer also euer Alltag gestaltet ist, um so besser ist es für den Hund. Haushalte in denen eine oder mehrere Bezugspersonen Schichtdienste haben, sind sicher für viele Hunde stressiger als andere.
Wenn es bestimmte Abfolgen gibt, ist das sehr gut. Es muss dabei nicht auf die Minute genau gefüttert werden oder genau um Punkt neun Uhr das Haus zum Gassi verlassen werden. Aber wenn dein Hund weiß: „Nach dem Frühstück gehen wir raus, danach gibt es Futter und dann habe ich Ruhezeit“ – dann kann er sich darauf einstellen, und der Rhythmus des Tages ist im Grunde gleichbleibend, auch wenn du am Wochenende mal länger schlafen willst.
Wie viel Gassi ist zu viel?
Auch das ist eine Frage, der du dich in Ruhe widmen solltest. Es gibt einen relativ schmalen Pfad zwischen ausreichenden Aktivitätszeiten und genügend Ruhephasen. Hunde sind verschieden. Menschen auch. So wie es Menschen gibt, die mit 6 h Schlaf wirklich auskommen, während andere Menschen unbedingt 8-9h Schlaf pro Tag brauchen, gibt es für Hunde auch keine allgemein gültige Regel.
Es hängt von den Reizen ab
Wann zu viel Gassi gegangen wird, hängt weitgehend von den Reizen ab, die dein Hund auf dem Weg erlebt, und wie er sie erlebt.
Hat er große Probleme mit Menschen, wird ihn ein Spaziergang anstrengen, wo euch viele Menschen begegnen, aber ein Spaziergang über die einsamen Felder vielleicht gar nicht.
Ist dein Hund jagdlich sehr ambitioniert, ist es möglicherweise umgekehrt. Und wenn beide Reize für ihn relevant sind, dann hat er deutlich mehr Stress auf seinen Spaziergängen als ein Hund, der weder auf Wild noch auf Menschen irgendwie aufgeregt reagiert.
Darum kann dir niemand sagen:“Du gehst zu lange oder zu kurz spazieren“ wenn er diese Dinge nicht einschätzen kann. Es hängt einfach von dem Erleben deines Hundes ab.
Wie viel Ruhe ist genug?
Wenn dein Hund ca. 15-20 h am Tag ruht oder schläft, ist das ungefähr richtig. Es hängt natürlich sehr von seinem Alter ab, vom Gesundheitszustand, von der Rasse…
Aber eben auch vom Stressniveau.
Hunde mit einem sehr hohen Stresslevel können oftmals kaum noch richtig tief entspannen. Dann wird es kritisch. Denn eigentlich brauchen gestresste Tiere logischerweise mehr Ruhezeiten als Ausgleich.
Zusammenleben mit anderen Tieren
Das Zusammenleben mit anderen Haustieren kann ebenfalls ein Stressor sein, oder einfach eine positive Anregung, die auf der anderen Seite wieder Ruhephasen benötigt. Manchen Hunden tut der Kontakt zu Artgenossen gut, andere sind davon gestresst. Besonders in letzterem Fall sind bewusste Zeiten der Trennung sinnvoll, damit jeder Hund auch mal in Ruhe ausspannen kann.
Bedürfnisbefriedigung
Wie viele Bedürfnisse deines Hundes werden befriedigt? Wie viel Frust hat er?
Kennst du überhaupt die Bedürfnisse deines Hundes? Wie viele davon kannst du regelmäßig befriedigen? Muss er oft einfach „brav sein“ in Situationen, die für Hunde schwierig sind?
Alle diese Dinge spielen eine Rolle beim Gleichgewicht zwischen Erregung und Entspannung.
Ankündigungen
Das Ankündigen von Handlungen am Hund wie „Streicheln“, „Augen“ für Augen auswischen, „Bürsten“, oder sogar „Pieks“ für „es kann kurz weh tun“ macht Sinn für alle Hunde. Einen Hund einfach anzufassen, weil er doch ein Hund ist, ist nicht fair. Besonders wenn er nicht sieht, dass eine Hand zum Anfassen kommt, ist es gut, die Berührung anzukündigen. Oder man kann die Ankündigung als Frage stellen, die der Hund mit ja oder nein beantworten kann. Damit hat er sogar eine Wahlfreiheit. Meine Frage: „Soll ich dich streicheln?“ beantwortet Grace sehr passend. Entweder sie bleibt, wo sie ist, wenn sie nicht gestreichelt werden will, oder sie sortiert sich direkt bei mir ein und genießt die Berührung.
Ankündigungen jeder Art können sinnvoll sein, weil sie dem Hund seine Vorhersagekraft zurück geben bei den Handlungen, die er oft nicht vorhersehen kann.
Es macht natürlich wenig Sinn, alles und jedes zu benennen, denn Sprachtalente sind die wenigsten Hunde. Es gilt also, die relevanten Dinge von den unwichtigen zu unterscheiden. Und zwar aus Hundesicht!
Ende-Signal
Hunde haben manchmal eine ständige Erwartungshaltung in Bezug auf die Verfügbarkeit von Verstärkern. Das kann zu „Belohnungsstress“ führen.
Das Ende-Signal ist genau das, was du brauchst, wenn dein Hund in ständiger Erwartungshaltung bleibt. Dein Hund sollte genau wissen, wann es sich lohnt, Verhalten anzubieten, und wann er wieder in seine Hundewelt abtauchen kann. Beides ist gut und wichtig, und jedes zu seiner Zeit. Dann ist das Training mit positiver Verstärkung auch kein Stressor für deinen Hund.
Eigene Ruhe
Aufgeregten Hunden hilft es natürlich gar nicht, wenn auch ihre Bezugsperson aufgeregt wird. Es gilt also, selbst Ruhe zu üben. Nicht selten wird der Hund überhaupt erst von seinen Menschen zu Aufregung gebracht. Ich habe das selbst erleben dürfen mit Charly. Als er seine Leinenaggression entwickelte, entspann sich öfter auch ein Streit zwischen uns und den anderen Hundehaltern, der die Sache gewiss nicht einfacher machte für Charly. Heute weiß ich, dass ich nicht andere Menschen dafür verantwortlich machen sollte, wenn mein Hund austickt. Es ist mein Problem und nur ich kann es lösen. Anderen Vorwürfe zu machen, weil sie sich „falsch“ verhalten haben, macht keinen Sinn. Lieber mache ich mich und meinen Hund fit, so dass wir auch mit den seltsamsten Situationen zurecht kommen.
Unterstütze deinen Hund bei Stress
Wenn dein Hund Stress hat mit bestimmten Situationen braucht er deine Hilfe. Manchmal ist es gar nicht viel, was man tun muss. Man muss nur wissen, wie es richtig geht. Ein Markersignal hilft da zu einer guten Kommunikation, und zur Situation passende Belohnungen machen gutes Verhalten lohnenswert.
Oft macht es auch Sinn, zuerst das Gefühl des Hundes der Situation gegenüber zu verändern, indem du deinem Hund sofort gute Dinge zukommen lässt, wie Leckerchen, Spiel, Körperkontakt, mehr oder weniger Abstand zu einem Reiz. Was dein Hund genau braucht, kann dir ein guter Trainer sagen, wenn du es nicht schon weißt.
Sehr gut kann dich auch ein konditioniertes Entspannungssignal unterstützen.
Konditionierte Entspannungssignale
Das ist der Kern des Entspannungstrainings. Konditionierte Entspannungssignale bedeutet, dass du bestimmte Reize (ein Wort, einen Duft, Musik, einen Ort….) mit einem entspannten Zustand verknüpfst. Konditionierung ist eine Verknüpfung zweier Reize.
So eine Verknüpfung herzustellen ist ganz einfach und hilft dir sehr, deinen Hund in aufregenden Situationen ein Stück weit entspannen zu können, so dass er wieder ansprechbar wird und auf deine Signale reagiert.
Möchtest Du lernen, wie Du konditionierte Entspannungssignale aufbaust und anwendest?